SdW0517

(coco) #1
selwirkungen fehlen. Das sollte die Ausschläge der Strah-
lung genau so verändern, wie man es in der Hintergrund-
strahlung heute beobachtet. Verlinde erwartet, dass seine
Theorie hier funktioniert – wiederum, weil Materie und der
gravitative Effekt der Dunklen Energie unabhängig vonein-
ander sind und sich entsprechend unterschiedlich verhal-
ten. »Wobei ich das noch nicht komplett durchgerechnet
habe«, räumt er ein.
Die Verfechter der Dunklen Materie kalkulieren ihre
Modelle angesichts der nun aufgetauchten Argumente
ebenfalls neu durch. Beispielsweise versuchen sie, eine
Erklärung für den von McGaugh und seinen Kollegen
entdeckten Zusammenhang zwischen der Rotationsge-
schwindigkeit und der Menge an sichtbarer Materie von
Galaxien zu finden. Bereits im Oktober 2016 reagierten
zwei Astronomenteams auf eine Vorabveröffentlichung der
Arbeit und erläuterten unabhängig voneinander, wie sich
dieser Zusammenhang mit der Existenz Dunkler Materie in
Einklang bringen lasse. Ihre Menge in einem Halo lege
fest, wie viel sichtbare Materie eine Galaxie bei ihrer Ent -
stehung erhält. Wenn dem so wäre, dann würde die
Rotationsgeschwindigkeit sowohl mit Dunkler als auch mit
sichtbarer Materie korrelieren, da beide nicht so unab-
hängig voneinander sind wie gedacht.
Computersimulationen der Galaxienentstehung deuten
keineswegs auf eine solche Verbindung beider Materie-
formen. Die Fachleute sind nun damit beschäftigt, diverse
Szenarien durchzuprobieren. Sollte es nicht gelingen,
das Verhalten der Galaxien im Datensatz von McGaugh
und seinen Kollegen zu reproduzieren, wäre das Wasser
auf die Mühlen der Gegner der Dunklen Materie. »Es
handelt sich hier offensichtlich um etwas, mit dem wir uns
sehr sorgfältig befassen müssen«, sagt Kathryn Zurek.
McGaugh jedenfalls ist skeptisch. Selbst wenn sich die
Simulationen passend trimmen ließen, sei es doch un-

QUELLEN

Brouwer, M. M. et al.: First Test of Verlinde‘s Theory of Emergent
Gravity Using Weak Gravitational Lensing Measurements. In:
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 466, S. 2547–
2559, 2017

McGaugh, S. S. et al.: Radial Acceleration Relation in Rotationally
Supported Galaxies. In: Physical Review Letters 117, 201101, 2016

Verlinde, E. P.: Emergent Gravity and the Dark Universe. In: arXiv,
1611.02269, 2016

Der »Bullet-Cluster« besteht
aus zwei Galaxien, die sich
nach einer Kollision durch-
drungen haben. Das sichtbare
Gas (rot) wurde dabei abge-
bremst. Die Gravitation lenkt
das Licht von Hintergrund-
galaxien ab. Dessen Analyse
zeigt: Der Großteil der jewei-
ligen Massen (blau) bewegte
sich fast ungestört weiter.
Astronomen inter pretieren die
Vorgänge im Bullet-Cluster
als eine Trennung sichtbarer
von Dunkler Materie.

RÖNTGEN: NASA / CXC / M. MARKEVITCH ET AL.; OPTISCH: NASA / STSCI / MAGELLAN / U. ARIZONA / D. CLOWE ET AL.; LINSEN: NASA / STSCI / ESO WFI /


MAGELLAN / U. ARIZONA / D. CLOWE ET AL. (WWW.SPACETELESCOPE.ORG/IMAGES/OPO0639A/) /

CC BY 4.0 (CREATIVECOMMONS.ORG/LICENSES/BY/4.0/LEGALCODE)

Nach der redigierten Fassung aus »Quantamagazine.
org«, einem inhaltlich unabhängigen Magazin
der Simons Foundation, die sich die Verbreitung von
Forschungsergebnissen aus der Mathematik
und den Naturwissenschaften zum Ziel gesetzt hat.

glaubwürdig, würden Dunkle und sichtbare Materie an
jedem Ort des Universums zufällig die Vorhersage der
MOND-Theorie erfüllen. »Käme jemand zu Ihnen und
würde behaupten, im Sonnensystem gelte gar nicht das
bekannte quadratische Abstandsgesetz, sondern ein ganz
anderes, aber zusätzlich seien unsichtbare Objekte gerade
so verteilt, dass sich die gewohnte Himmelsmechanik
ergibt – dann würden Sie ihn für verrückt erklären«, sagt
er. »Genau so etwas verlangen wir hier für die Dunkle
Materie.«
Mit Blick auf die vielfältigen indirekten Hinweise auf
Dunkle Materie und den weit gehenden Konsens unter
Physikern über ihre Existenz hält Zurek sie zwar immer
noch für recht wahrscheinlich. »Davon abgesehen muss
man stets prüfen, ob man nicht einfach nur einer populä-
ren Meinung hinterherläuft«, ergänzt die Forscherin.
»Selbst wenn dieses Paradigma alle Phänomene erklärt,
könnte da ja noch etwas anderes vorgehen.«

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