SdW0517

(coco) #1

Einerseits findet das permanente Bombardement in
einem elektrischen Feld statt, das sich unter dem Ein­
fluss der Sandkörnerdynamik aufschaukelt. Der Erdbo­
den ist nämlich gegenüber der Atmosphäre negativ
geladen. Das irdische Feld verschiebt die vorhandenen
Ladungsträger im eigentlich neutralen und nicht leiten­
den Sandkorn, so dass sie sich nicht mehr kompensie­
ren, sondern in der unteren Hälfte eine positive und in
der oberen eine negative Teilla­
dung entsteht (Illustration links).
Andererseits kann sich die
vor handene Polarisation verstär­
ken, wenn die Körner aufeinan­
derprallen. Dann tauschen die
kollidierenden Hälften ihre entgegengesetzte Ladung aus
und neutralisieren sich. Anschließend kann das elek­
trische Feld erneut Ladungsträger verschieben. Das
Teilchen, das eine positive Ladung übernommen hat, ist
nunmehr in der unteren Hälfte zweifach positiv und in
der oberen einfach negativ geladen. Das andere trägt in
der oberen Hälfte zwei negative Ladungen und in der
unteren eine positive.
Natürlich treten in realen Situationen komplexere
Konfigurationen und geometrische Verhältnisse auf.
Aber sie führen nicht zu wesentlich anderen Ergebnissen
als dieses einfache Modell.
Ein solcher Ladungsübertrag kann bei jeder Kollision
stattfinden. So werden im Endeffekt positive Ladungen
mit dem Sand nach unten und negative nach oben ge ­
pumpt, und die Aufladung nimmt mit der Zahl der Stöße
zu. Die positiven Ladungen in der Nähe des Erdbodens
ziehen die dortigen negativen Ladungsträger an. Dadurch
steigert sich deren Konzentration lokal, und das elek­
trische Feld zwischen Boden und Atmosphäre nimmt im
Bereich des Sandsturms zu. Das wiederum bewirkt eine
umso ausgeprägtere Polarisation.


Dieser Prozess kann nicht beliebig weitergehen.
Gleichartig geladene Teilchen stoßen sich schließlich ab.
Um sich weiter anzunähern und somit aufzuladen,
brauchen die einzelnen Körner deswegen mehr Bewe­
gungsenergie, und diese wächst mit der mittleren Wind­
geschwindigkeit.
Da immer wieder Sand landet und sich neuer vom
Boden löst, ist das Ganze eher ein periodisches Gesche­
hen, das zu einem insgesamt
stationären Ladungszustand im
Sturm führt. Die Forscher verste­
hen die einzelnen Mechanismen
noch nicht im Detail. Alles in
allem erscheint so jedoch erklär­
bar, wie heftige Sandstürme zu großen Ladungsdiffe­
renzen führen können, die man sonst nur von Gewittern
kennt, mit entsprechend gewaltigen Ausgleichsvorgän­
gen – also Blitzen.
In eine solche Situation ist damals offenbar Siemens
geraten. Er hat schnell begriffen, dass man in einem
starken elektrischen Feld mit einfachen Mitteln so etwas
wie einen Kondensator konstruieren kann. Indem er sich
gegen den Boden isolierte und so ein Abfließen der
Ladung durch seinen Körper von oben nach unten ver­
hinderte, konnte er sie über einen geerdeten Menschen
durch einen überspringenden Funken abführen.

In der Wüste wirbeln Winde Wolken aus Sand und Staub oft in beträchtliche Höhen, so wie bei
diesem Sturm, der bei einer Siedlung in Marokko aufzieht.


Ist etwa die Luft so elektrisch,
wie die See salzig ist?
Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799)

QUELLEN

Bloch, E.: Spuren. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985

Pähtz, T. et al.: Why Do Particle Clouds Generate Electric
Charges? In: Nature Physics 6, S. 364–368, 2010

Siemens, W.: Beschreibung ungewöhnlich starker elektrischer
Erscheinungen auf der Cheops­Pyramide bei Cairo während des
Wehens des Chamsin. In: Poggendorff’s Annalen der Physik und
Chemie 185, S. 355–359, 1860

ISTOCK / PAVLIHA
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