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(coco) #1
Bislang ist eines dieser Teleskope finanziert und sollte in
den nächsten ein bis zwei Jahren in Betrieb gehen. Über
den Aufstellungsort wird noch beraten.
Außerdem betreibt die ESA das NEODyS-System (Near-
Earth Objects Dynamic Site), bisher an der Universität Pisa
ansässig und künftig bei der ESA-Niederlassung in Frasca-
ti. Dort werden die Bahnen von sämt lichen NEAs, die das
amerikanische Minor Planet Center sammelt, bis 100 Jahre
in die Zukunft vorausberechnet. Kommen diese der Erde
besonders nahe, berechnet NEODyS unter Berücksichti-
gung der Messungenauigkeiten eine Einschlagwahrschein-
lichkeit. Falls diese größer als null ist, kommen die Kandi-
daten auf eine Risikoliste (http://neo.ssa.esa.int/risk-page).
Bei einem Objekt mit hoher Einschlagswahrscheinlich-
keit vergleichen die europäischen Astronomen zunächst
ihre Daten mit jenen ihrer amerikanischen Kollegen vom
Sentry System am Jet Propulsion Laboratory, bevor sie
diese veröffentlichen – und umgekehrt.

Asteroidenabwehr als
internationale Angelegenheit
Für eventuell notwendige Abwehrmaßnahmen steht die
NASA mit der US-amerikanischen Katastrophenschutzbe-
hörde FEMA (Federal Emergency Management Agency) in
Verbindung, die ESA mit den Europäischen Katastrophen-
schutzbehörden. Im Ernstfall würde die ESA Informationen
über Ort, Zeitpunkt und eine mögliche Schadensabschät-
zung an die lokalen Einrichtungen weitergeben. Letztere
würden dann Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz
einleiten. Wäre beispielsweise ein Objekt wie bei Tschelja-
binsk im Anflug, würde man die Bevölkerung über Rund-
funk und Fernsehen anweisen, sich von Fensterscheiben
fernzuhalten. Denn hätte man das Objekt damals rechtzei-
tig erkannt, hätten sich auf diese Weise wohl fast alle
Verletzungen vermeiden lassen.
Bei einem Objekt zwischen 50 und 100 Metern könnte
man bei entsprechender Vorlaufzeit den Asteroiden mit
einem so genannten Kinetic Impactor von seiner Bahn
ablenken. Dieser recht schwere Satellit würde mit hoher

Geschwindigkeit auf den Asteroiden zufliegen und ihn
durch den Aufprall etwas aus seiner Bahn bringen, so dass
er die Erde verfehlt. Würden wir zum Beispiel feststellen,
dass der Asteroid Apophis bei seinem Vorbeiflug an der
Erde im Jahr 2036 zur Gefahr würde, müssten wir etwa
zehn Jahre vorher einen Satelliten der Größe von Rosetta
auf ihn schießen, um ihn auf eine sichere Bahn zu lenken.
In Zusammenarbeit mit der NASA hatte die ESA dazu
bereits eine Testmission vorgestellt, die zwei Sonden zu
einem Asteroiden fliegen sollte. Dabei sollte die NASA den
Kinetic Impactor AIDA (Asteroid Impact Deflection Assess-
ment) bauen. Die ESA wollte ursprünglich einen Beobach-
tungssatelliten namens AIM (Asteroid Impact Mission)
beisteuern.
Bei einem Start im Jahr 2020 würde dieser Impactor
den Binärasteroiden Didymos erreichen und auf dem
kleineren der beiden Objekte (genannt Didymoon) ein-
schlagen. Das würde die Bahn des Systems nicht verän-
dern, wohl aber die Umlaufperiode von Didymoon um
Didymos, was sich sogar von der Erde aus beobachten
ließe. Leider hat die letzte Ministerratskonferenz der ESA
die finanziellen Mittel für AIM nicht bewilligt. Selbst wenn
es nicht gelingen sollte, AIM doch noch zu bauen, wäre
der amerikanische Teil der Mission sinnvoll und würde uns
zeigen, ob wir tatsächlich in der Lage wären, eine Asteroi-
denabwehrmission durchzuführen.
Allerdings wirft ein derartiges Szenario auch viele
Fragen auf. Was passiert etwa, wenn die Ablenkung nicht
oder nur teilweise funktioniert, und der Asteroid dadurch
in einem anderen Land als vorausberechnet niedergeht
und beide Staaten zudem verfeindet sind? Wer sollte so
eine Mission finanzieren? Wäre eine solche Aktion recht-
lich überhaupt erlaubt?
Mittlerweile befassen sich sehr viele Staaten mit der
möglichen Bedrohung durch Asteroiden. Da dies eine
internationale Angelegenheit ist, haben sich unter dem
Dach der Vereinten Nationen kürzlich zwei Arbeitsgruppen
dazu gebildet: das International Asteroid Warning Network
(IAWN) und die Space Mission Planning Advisory Group
(SMPAG). Bei IAWN haben sich alle Beobachter und
Bahnmodellierer zusammengeschlossen. Sie sind es
letztlich, die eine Einschlagswarnung herausgeben kön-
nen. SMPAG bietet eine Plattform für alle weltraumfahren-
den Nationen, sich zum Thema Asteroidenabwehr auszu-
tauschen.
Glücklicherweise ist aber derzeit kein Asteroid bekannt,
der innerhalb der nächsten 100 Jahre für die Mensch heit
zur Bedrohung werden könnte. So können sich die For-
scher auch weiterhin sorgenfrei mit der Entstehungs-
geschichte des Sonnensystems und dem Ursprung von
Leben befassen, statt mit dessen Auslöschung. Denn
Asteroiden scheinen eine wichtige Quelle für das Wasser
auf der Erde zu sein, ohne das Leben gar nicht mög-
lich wäre.

LITERATURTIPP
Mokler, F.: Asteroiden im Visier. In: Spektrum August 2015 S. 50 – 55
In diesem Artikel erfahren Sie mehr über internationale Aktivitäten zur
Aste roidenabwehr.

NASA und ESA planten, gemeinsam eine Einschlagssonde
(AIDA) und einen Beobachtungssatelliten (AIM) zu dem Doppel­
asteroiden Didymos zu schicken und ein Ablenkmanöver zu
testen. Die Finanzierung von AIM (ESA) ist aber nicht gesichert.

ESA

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