Vererbung jenseits der Gene – einige Forschungsergebnisse
Die Lebenserfahrungen von Tieren und Pflanzen – etwa die Ex position gegenüber bestimmten Schad-
stoffen oder belastenden Ereignissen – können die Gesundheit der Nachkommen beeinflussen, ohne
dass Mutationen in ihrer DNA auftreten. Durch direkte Einwirkung auf reproduktive Zellen wie Spermien
und Eier machen sie sich zudem unter Umständen auch bei den Kindern und Enkeln bemerkbar. Im
Unterschied dazu beeinflusst eine echte transgenerationale epigenetische Vererbung durch chemische
Veränderungen der DNA in diesen Zellen manchmal sogar noch entferntere Nachkommen.
trächtiges Weib-
chen, das Stress
oder Schadstoffen
ausgesetzt ist
Männchen, das
Stress oder Schad-
stoffen ausgesetzt ist
frühes, achtzel liges
Embryonal stadium
Fötus im Mutterleib,
der Stress oder
Schadstoffen direkt
ausgesetzt ist
Stressfaktor
oder Schadstoff
Sperma
Im Fötus können die Vorläuferzellen von Eiern und Spermien eine
direkte Exposition erfahren. Bei einer zweiten Neupro gram mie-
rung werden die meisten epigenetischen Marker auf diesen Zellen
neu gesetzt. So ist sichergestellt, dass nur die geschlechtsspezi-
fisch passenden Gene des Fötus aktiviert werden.
Die erste Runde epigenetischer Neupro-
grammierung erfolgt wenige Tage nach
der Konzeption, wenn der Embryo noch
ein winziger Zellklumpen ist.
DNA-Sequenz Methylgruppe
Histonprotein
Azetylgruppe
oder andere
chemische
Modifikation
Epigenetik in Kürze
Gene entsprechen bestimmten DNA-Abschnitten in den Chromosomen. Eine zu-
sätzliche Informationsebene steckt in epigenetischen Markern: unter anderem
Methylreste (CH 3 ), die sich an die DNA heften sowie an die Histonpakete, um die
sich die DNA wickelt. Solche Marker in oder bei Genen verändern oft, wie viel
RNA oder Proteine diese produzieren.
EMILY COOPER / SCIENTIFIC AMERICAN AUGUST 2014
Epigenetische Eigenschaften können über viele Generationen bestehen bleiben
Die direkten Auswirkungen eines Schadstoffs oder Stressfaktors können zu Veränderungen in zwei aufeinander folgenden
Generationen führen, wenn ein männliches Tier und seine Spermien exponiert wurden, oder in bis zu drei Generationen,
wenn ein weibliches Tier in einem bestimmten Schwangerschaftsstadium betroffen ist (rechts blau markiert).
Diese Effekte sind jedoch nicht vererbbar. Damit eine epigenetische Eigenschaft an nachfolgende
Generationen (rot) weitergegeben wird, muss der dazugehörige Marker nach der Empfängnis zwei
Neuprogrammierungswellen (unten) überstehen, die fast alle epigenetischen Marker
vom Chromosom entfernen und danach wieder neue setzen.