neues Forschungsfeld die »Epitranskriptomik« hinzu – die
Beschäftigung mit den Markierungen von RNA (dem
Epitranskriptom). Wie sich zeigte, ist es für die Zelldiffe-
renzierung entscheidend, ob die RNA-Base Adenin eine
Methylgruppe trägt oder nicht. Dies könnte auch etwa bei
Fettleibigkeit oder Krebs eine Rolle spielen. Als Hes Team
und zwei andere Forschergruppen 2015 die gleiche Mar-
kierung an DNA-Adeninbasen entdeckten, wurde klar,
dass auch das Epigenom noch mannigfaltiger sein muss
als angenommen. Denn bisher kannte man bei der DNA
nur Methylmarkierungen der Kernbase Cytosin.
Laut dem »zentralen Dogma« der Molekularbiologie
fließt die genetische Information von der DNA via Boten-
(Messenger-)RNA zum Protein und nicht umgekehrt. Die
Boten- oder mRNA galt vielen hauptsächlich einfach als
Kurier, der die im Gen verschlüsselte Information zu den
Proteinfabriken der Zelle bringt. Eigentlich war es jedoch
schon seit Längerem kein Geheimnis, dass die Boten-RNA
Mod ifikationen aufweist. Die Methylmarkierung am Ade-
nin war dem amerikanischen Chemiker Fritz Rottman
(1937–2013) bereits 1974 aufgefallen, als er herausfinden
wollte, welche Funktion die RNA bei der Regulierung der
Genexpression hat. Diese modifizierte Base heißt kurz m^6 A
(für N^6 -Methyladenosin). Schon damals dachten Rottman
und seine Kollegen, anhand der RNA-Methylierung könne
der Zellapparat vielleicht erkennen, welche Boten-RNAs in
Proteine übersetzt werden sollen und welche nicht. Doch
Genaueres ließ sich in den Anfangszeiten der Molekular-
biologie nicht herausfinden.
Nach langer vergeblicher Suche findet sich für das
Enzym FTO endlich ein passendes Zielmolekül
Jahrzehnte später mangelte es immer noch an wirklich
geeigneten Verfahren, um diese extrem schwer fassbaren
Signaturen zu untersuchen. Trotzdem trauten sich zwei
von Hes derzeitigen Mitarbeitern, Ye Fu und Guifang Jia,
an die Aufgabe heran. Dazu befassten sie sich mit dem
Protein FTO, das mit dem Fettstoffwechsel in Verbindung
gebracht wird. FTO zählt zu den eingangs erwähnten Enzy-
men, die Methylgruppen abspalten. Aber wovon? Lange
suchte die Arbeitsgruppe vergeblich nach einer zu FTO
passenden RNA-Modi fikation – bis sie dem Enzym schließ-
lich markiertes Adenin, m^6 A, vorsetzte. Und tatsächlich
verschwand daraufhin die Signatur! Damit war endlich
erwiesen, dass eine RNA-Methylierung reversibel ist. Für
die DNA und die Histone war Gleiches schon vorher
Unsere Gene sind keineswegs zum Ablesen frei verfügbar. Kleine chemische Markierungen der
DNA bestimmen mit darüber, welche von ihnen aktiv werden dürfen und welche nicht.
FOTOLIA / SERGEY NIVENS
FOTOLIA / SERGEY NIVENS