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(Martin Jones) #1

mydomonas. Tatsächlich entdeckten sie die Markierung
bei mehr als 14 000 Genen. Das Frappante daran: Das


(^6) mA verteilt sich an den Erbsequenzen nicht etwa belie-
big, sondern es konzentriert sich in mehreren dicht
auf einanderfolgenden Clustern in jenen Bereichen, wo
das Ablesen eines Gens einsetzt.
2015 fanden der Biochemiker Eric Greer von der Kinder-
klinik in Boston (Massachusetts) und seine Kollegen
zudem zu ihrer eigenen Überraschung^6 mA in der DNA
des Fadenwurms Caenorhabditis elegans. Greer unter-
suchte damals im Labor von Yang Shi epigenetische
Vererbung an einer Mutante des kleinen Wurms, die sich
mit jeder Generation schlechter fortpflanzt. Bis dahin galt,
dass diese Art keine Methylmarkierungen aufweise. Trotz-
dem probierten die Forscher, ob sie mit spezifischen
Antikörpern nicht doch welche finden würden. Sie ent-
deckten zwar tatsächlich kein^5 mC – stießen aber auf^6 mA.
Anscheinend bestand auch ein Zusammenhang: Die sich
schwächer vermehrenden Generationen waren damit
besser ausgestattet als die fortpflanzungsfreudigeren. Der
Grund dafür, dass man diese DNA-Methylierung bei Viel-
zellern bis dahin noch nie aufgespürt hatte, war sicherlich
deren sehr geringe Konzentration.
Um das Phänomen genauer zu ergründen, schlossen
sich die beiden Forschergruppen nun zusammen. Nur ein
paar Monate später traf He zudem in China einen Wissen-
schaftler, der^6 mA auch bei der Taufliege Drosophila gefun-
den hatte. »Das hat mich umgehauen«, erzählt He. Im
April 2015 erschienen alle drei Arbeiten gleichzeitig in der
Zeitschrift »Cell«.
Diese Publikationen las der Epigenetiker Andrew Xiao
von der Yale University in New Haven (Connecticut). Sein
Team hatte^6 mA in Säugerzellen identifiziert, den Befund
aber nicht veröffentlicht, weil die Forscher nicht glaubten,
dass das jemanden interessierte. Nun trieben sie diese
Arbeiten weiter voran und brachten die Ergebnisse schon
ein Jahr später heraus – was in Fachkreisen wie eine
Bombe einschlug. Die Signatur^6 mA kommt demnach in
embryonalen Stammzellen von Mäusen vor, allerdings in
ganz geringen Spuren, dabei am meisten auf dem X-Chro-
mosom. Die Markierung trägt dort anscheinend zur
Stummschaltung der Genexpression des einen X-Chro-
mosoms bei. Ein Enzym, das die Signatur wohl wieder
auf zuheben vermag, ließ sich in den Studien gleichfalls
nachweisen.
Auch die Arbeitsgruppen von Chuan He und Yang Shi
sagen, sie hätten die DNA-Methylierung von Adenin
mittlerweile in Säugerzellen nachgewiesen. Noch ist
unklar, was solche chemischen Veränderungen für Säuge-
tiere bedeuten. Selbst mit den neuesten Technologien
liegen die Modifikationen nur knapp über der Nachweis-
grenze und lassen sich noch nicht präzise kartieren. Ver-
mutlich variiert das Muster je nach Gewebetyp. Xiao hält
es für möglich, dass solche Signaturen in bestimmten
Entwicklungsstadien ganz kurz als molekulare Schalter
erscheinen und dann gleich wieder verschwinden. Nach
Meinung mancher Genetiker steht außerdem noch nicht
fest, dass jene^6 mA-Methylierungen der DNA an die
nächs te Generation vererbt werden – was ein entschei-
dendes Kriterium für epigenetische Veränderungen wäre.
2016 gaben die Forscher die Entdeckung einer weiteren
Modifikation von Boten-RNA bekannt: N^1 -Methyladenosin,
kurz m^1 A. Sie kommt bei vielen verschiedenen Vielzellern
vor, auch beim Menschen. Offenbar fördert diese Methy-
lierung ebenfalls die Translation der Abschrift in Proteine,
allerdings in anderer Weise als m^6 A. Wie letztere könnte
sie wohl außerdem dazu beitragen, in Zellen den Über-
gang in einen anderen Zustand zu synchronisieren.
Von der nächsten bei Boten-RNA entdeckten Methylie-
rung – m^6 Am – erfuhren die Epigenetiker Anfang 2017.
Diese Markierung sitzt nah an den Kappen der Moleküle
und macht sie stabiler. Womöglich ist also der Einfluss
solcher Modifikationen auf die Genexpression um eine gan-
ze Größenordnung komplexer als zunächst angenommen.
Wie auf einem so jungen Forschungsfeld nicht anders
zu erwarten, stoßen die Epigenetiker nun auch auf anfäng-
liche Fehldeutungen. Manche der als »Ausradierer« von
bestimmten Methylierungen erkannten Enzyme etwa
befassen sich mit anderen Zielmolekülen und Markie-
rungen als anfangs postuliert. Mit den immer ausgefeilte-
ren Techniken, chemische Signaturen an DNA und RNA
aufzuspüren, versprechen sich die Wissenschaftler noch
eine Menge an spannenden Einsichten über unsere
Genregulation.
Der Einfluss solcher Modifikatio-
nen auf die Genexpression ist wohl
um eine Größenordnung komplexer
als zunächst angenommen
QUELLEN
Dominissini, D. et al.: The Dynamic N^1 -Methyladenosine Methy-
lome in Eukaryotic Messenger RNA. In: Nature 530, S. 441– 446,
2016
Mauer, J. et al.: Reversible Methylation of m^6 Am in the 5‘Cap
Controls mRNA Stability. In: Nature 541, S. 371–375, 2017
Wu, T. P. et al.: DNA Methylation on N^6 -Adenine in Mammalian
Embryonic Stem Cells. In: Nature 532, S. 329–333, 2016
(©) Nature Publishing Group
http://www.nature.com
Nature 542, S. 406– 408, 23. Februar 2017
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