verstanden, die ein vorläufiges Patent an seiner Arbeit
anmeldete.
In den nicht einmal fünf Jahren seit ihrer Entdeckung
hat die CRISPR/Cas-Methode bereits Wissenschaftsge-
schichte geschrieben. Sie ist ein revolutionäres Werkzeug
mit enormem biomedizinischem Potenzial, weit reichen-
den bioethischen Implikationen, verbissenen Patentstreits
und milliardenschweren Auswirkungen auf Medizin und
Landwirtschaft. Forschungslabore und Biotechunterneh-
men entwickeln daraus in atemberaubendem Tempo neue
Therapien für Erbkrankheiten wie die Sichelzellanämie und
die Beta-Thalassämie. Selbsternannte Künstler und ehrgei-
zige Bio unternehmer träumen davon, mit Hilfe der Metho-
de rosa Kaninchen oder lebende Nippesfiguren zu erschaf-
fen, ähnlich den Minischweinen, die in China kürzlich
unter Verwendung von CRISPR/Cas als Haustiere erzeugt
wurden. Die Vorstellung, mit dem Verfahren menschliche
Embryonen zu »reparieren« oder unsere DNA via Keim-
bahneingriff dauerhaft zu verändern, hat fieberhafte Dis-
kussionen ausgelöst. Solche denkbaren »Verbesserungen«
des Menschen haben Forderungen nach internationalen
Forschungsmoratorien laut werden lassen.
Ihre größten Auswirkungen dürfte die CRISPR/Cas-Re-
volution in der Landwirtschaft haben. Im Herbst 2015, als
Yang vor den Pilzzüchtern sprach, waren bereits etwa 50
Fachartikel über Pflanzen erschienen, deren Erbgut mit
dieser Methode verändert worden war. Nur ein halbes
Jahr später, im April 2016, gab das US-Landwirtschaftsmi-
nisterium USDA bekannt, es werde davon absehen,
Yangs CRISPR/Cas-Pilze einem speziellen Zulassungsver-
fahren zu unterziehen. Die genomeditierten Champignons
dürfen nun ohne weitere Auflagen kultiviert und verkauft
werden. Diese Entscheidung hatte sich zwar abgezeichnet,
ist aber dennoch ein Paukenschlag. Denn sie ermutigt
zahlreiche weitere Unternehmen, derart genetisch verän-
derte Agrarerzeugnisse in den Handel zu bringen.
Dahinter verbirgt sich eine komplexe Debatte – nämlich
darüber, was man unter einem gentechnischen Eingriff zu
verstehen habe. Klassische Methoden der Gentechnik
führen neues Erbmaterial in Lebewesen ein. Stammt
dieses aus einer fremden Spezies, entsteht dabei ein
transgener Organismus. Der Einbau artfremder DNA ins
Erbgut war immer ein wesentlicher Kritikpunkt von Gen-
technikgegnern. Zudem ließ sich nie genau vorhersagen,
wo im Erbgut die neuen Gene landen und was sie dort
anrichten würden. Deshalb mussten gentechnisch verän-
derte Organismen ein aufwändiges Zulassungsverfahren
durchlaufen, um ihre Unbedenklichkeit unter Beweis zu
stellen.
CRISPR/Cas setzt all das außer Kraft. Die Besonderheit
des Verfahrens liegt erstens darin, dass es häufig ohne
Fremd-DNA auskommt, und zweitens in seiner überragen-
den Präzision. Mit ihm ist es möglich, beliebige Gene
auszuschalten, und das vergleichsweise einfach und
billig. CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced
Short Palindromic Repeats. Gemeint sind wiederholt
auftretende Abschnitte im Erbgut von Bakterien, zwischen
denen Teile von viralen DNA-Molekülen liegen. Letztere
dienen dem Bakterium als eine Art Virenarchiv und helfen
ihm, sich an entsprechende Erreger zu »erinnern«, um sie
bei einer Infektion rasch zu erkennen und zu bekämpfen.
Das Bakterium stellt in diesem Fall so genannte Cas-Enzy-
me her: Endonukleasen, die an der DNA der eingedrunge-
nen Viren andocken und sie kappen (Cas steht für CRIS-
PR-associated).
2012 schlugen die Forscherinnen Emmanuelle Charpen-
tier und Jennifer Doudna in der Fachzeitschrift »Science«
vor, das CRISPR/Cas-System als DNA-Schere zu nutzen,
um das Erbgut gezielt an bestimmten Stellen zu schneiden.
Dazu muss man dem Enzym Cas9 lediglich statt einer
viralen Sequenz eine so genannte Leit-RNA vorlegen, wel-
che passgenau an die jeweils gewünschte DNA-Stelle
bindet. Sie führt das Cas-Enzym präzise dorthin, so dass
es den Erbgutstrang an diesem Punkt zerteilt. Die Technik
lässt sich nutzen, um beliebige Sequenzen aus beliebigen
DNA-Molekülen zu entfernen und damit gezielt Gene zu
inaktivieren. Voraussetzung dafür ist, dass man die Sequenz
des gewünschten Gens oder DNA-Abschnitts kennt –
sonst kann man die Leit-RNA nicht herstellen. Liegt die-
ses Wissen jedoch vor, lässt sich das passende CRISPR/
Cas-Set innerhalb eines Arbeitstags für rund 20 Euro
anfertigen – ein Spottpreis im Vergleich zu bisherigen Me-
thoden. Mehr noch: Die Genschere funktioniert nicht nur
in Bakterien, sondern auch in Pflanzen, Pilzen und Tieren.
Künstlich verändert oder natürlich mutiert?
Das lässt sich nicht beantworten
Befürworter sehen CRISPR/Cas als die biologisch am
wenigsten eingreifende Form der Pflanzenzüchtung, die
Menschen je erdacht haben – einschließlich der herkömm-
lichen Zuchtmethoden durch Kreuzung, die bereits seit
Jahrtausenden angewendet werden. Weil das Verfahren in
vielen Fällen ohne das umstrittene Einschleusen artfrem-
der DNA auskommt, ist seinem Ergebnis oft nicht mehr
anzusehen, ob es sich um eine geneditierte oder natürli-
che Mutante handelt. CRISPR/Cas-veränderte Nutzpflan-
zen unterscheiden sich daher fundamental von transgenen
Erzeugnissen wie jenen umstrittenen Mais- und Sojage-
wächsen von Monsanto, die gegen das Herbizid Roundup
resistent sind. Viele Forscher erwarten deshalb schon
lange, dass die neue genomeditierende Methode den
Streit um die »grüne Gentechnik« völlig neu aufmischen
wird. Und das tut sie nun tatsächlich.
Werden die Verbraucher da mitgehen? Oder werden
sie die mit CRISPR/Cas veränderten landwirtschaftlichen
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