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(Martin Jones) #1

gen schützen soll. Unterdessen haben koreanische und
chinesische Wissenschaftler Schweine mit mehr Mus-
kelmasse erzeugt, indem sie per Genome Editing ein Gen
ausschalteten, das für das Protein Myostatin kodiert.


Heißer Kampf um gewerbliche Schutzrechte
Die Schnelligkeit, unkomplizierte Handhabung und Wirt-
schaftlichkeit des CRISPR/Cas-Verfahrens macht dieses
sogar noch attraktiver als die TALENs. Bisher behinderte
der Patentstreit zwischen der University of California und
dem Broad Institute (dem Massachusetts Institute of
Techno logy und der Harvard University) die kommerzielle
Verwertung in der Landwirtschaft. Im Februar 2017 ent-
schied zwar das US-Patentamt zugunsten des Broad
Institute, ihm stehe ein entscheidendes Patent bezüglich
höherer Organismen zu. Doch die University of California
erhebt allgemeinen Anspruch auf die Methode an sich.
Für wissenschaftliche Labore ist das allerdings kein
großes Thema. Im Oktober 2013 nahm die Entwicklung
genetisch veränderter Speisepilze eine entscheidende
Hürde, als David Carroll in Yangs Labor auftauchte. Carroll
ist Präsident des Unternehmens Giorgi Mushroom, des
zweitgrößten Speisepilzproduzenten in den USA, und
erkundigte sich danach, was die neuen Genome-Editing-
Techniken leisten könnten. Yang fragte zurück, was genau
an den Pilzen verändert werden solle. Carroll nannte deren
Neigung, braun zu werden, und Yang erklärte sich bereit,
nach entsprechenden Möglichkeiten zu suchen.
Yang wusste genau, auf welches Gen er zielen musste.
Biologen hatten zuvor sechs Erbanlagen identifiziert, die
für das Enzym Polyphenoloxidase kodieren, welches die
Pilze braun werden lässt. Die gleiche Genfamilie lässt auch
Äpfel und Kartoffeln braun anlaufen – ein Umstand, an
dessen Vermeidung Gentechniker bereits arbeiten. Yang
glaubte, wenn er eines dieser Gene ausschaltete, würde
dies die Bräunung verlangsamen.
CRISPR/Cas9 findet seine Zielsequenz anhand der
Leit-RNA: einem kurzen Nukleinsäureschnipsel, dessen
Sequenz komplementär zu jener der DNA im Zielbereich
ist. Die spezifische Paarung zwischen den Nukleotidbasen
Adenin und Thymin sowie Cytosin und Guanin sorgt dafür,
dass bereits eine Leit-RNA von nur 20 Nukleotiden Länge
ausreicht, um jede gewünschte Stelle im Agaricus-bispo-
rus-Genom mit seinen 30 Millionen Basenpaaren präzise
aufzuspüren. Das Schneiden erfolgt dann durch das En-
zym Cas9, eine Endonuklease, die ursprünglich aus Jo-
gurtbakterienkulturen isoliert wurde und quasi auf dem
Rücken der Leit-RNA reitet. Nebenbei bemerkt: Der Name
CRISPR/Cas9 für die Methode trifft streng genommen
nicht ganz zu. Denn die als CRISPR bezeichneten Erbgut-
schnipsel kommen ausschließlich im Genom von Bakteri-
en vor. Es ist das mit einer Leit-RNA versehene Cas9-Pro-
tein, das die DNA von Pflanzen, Pilzen und Menschen
schneidet; CRISPR sind hierbei gar nicht involviert.
Was geschieht, sobald Gentechniker die DNA, die sie
verändern möchten, mit Cas9 am gewünschten Punkt
geschnitten haben? Die Zelle registriert das und macht
sich daran, den Strangbruch zu reparieren. Üblicherweise
schließt sie ihn einfach wieder. Man kann aber auch ein


Stück DNA hinzugeben, und die zelluläre Reparaturma-
schine wird es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an
der betroffenen Stelle in den Strang einbauen. Auf diese
Weise lässt sich CRISPR/Cas9 dazu nutzen, Erbmaterial in
einen Organismus einzuschleusen.
Beim Champignon ging es darum, ein vorhandenes Gen
auszuschalten, wofür die einfache Strangreparatur aus-
reicht. Denn während der genetischen Ausbesserung
gehen gewöhnlich ein paar Basenpaare im DNA-Strang
verloren, gleichbedeutend mit dem Verlust einiger Buchsta-
ben im genetischen Kode. Da der zelleigene Proteinsynthe-
seapparat die DNA in Form drei Buchstaben langer »Wör-
ter« abliest, verändert das Verschwinden einiger Buchsta-
ben den gesamten Text. Fachleute sagen: Das Leseraster
verschiebt sich. Dadurch verliert das betroffene Gen in der
Regel seine Funktion.
Genau das ist bei dem genomeditierten Champignon
passiert. Durch die Entfernung eines winzigen DNA-Stücks
inaktivierten Yang und seine Kollegen eines der Gene, die
für die Polyphenoloxidase kodieren – eine Mutation, die
sich per DNA-Analyse bestätigen ließ. Hierfür waren etwa
zwei Monate Laborarbeit nötig. Der schwierigste Schritt,
die Erzeugung der Leit-RNA, kostete einige hundert Dollar.
Diese Hürde ist mittlerweile leichter zu nehmen, denn
verschiedene kleine Biotechunternehmen haben sich
darauf spezialisiert, maßgeschneiderte CRISPR/Cas-Konst-
rukte herzustellen, mit denen sich jedes beliebige Gen
verändern lässt. Am teuersten dabei ist die menschliche
Arbeitskraft. »Wenn man diese nicht berücksichtigt, hat
das ganze Projekt wahrscheinlich weniger als 10 000
US-Dollar gekostet«, schätzt Yang. In der landwirtschaftli-
chen Biotechbranche sind das Peanuts.

Handelt es sich um gentechnisch veränderte Organis-
men (GVO) oder nicht?
Noch viel wichtiger aber sind die Unterschiede auf regula-
torischem Gebiet, die zwischen CRISPR/Cas und her-
kömmlichen gentechnischen Methoden bestehen. Im
Oktober 2015 stellte Yang sein Pilzprojekt informell dem
US-Landwirtschaftsministerium vor. Die dort zuständigen
Mitarbeiter entscheiden, ob genetisch modifizierte Nutz-
pflanzen unter besondere staatliche Regulierung fallen


  • wobei es im Wesentlichen um die Frage geht, ob die
    jeweiligen Gewächse als gentechnisch veränderte Organis-
    men (GVO) einstuft werden. Yang verließ das Treffen
    ziemlich zuversichtlich, dass mit Nein entschieden werden
    würde – was im April 2016 tatsächlich geschah. Dieses
    Urteil ist von erheblicher Tragweite: Die gesetzlich vorge-
    schriebenen Sicherheitsanforderungen an GVO zu erfüllen,
    kann laut Gentechnikunternehmer Daniel Voytas bis zu 35
    Millionen Dollar kosten und bis zu fünfeinhalb Jahre
    dauern.
    Speisepilze wie Champignons bieten einen weiteren
    Vorteil, um die Anwendbarkeit des CRISPR/Cas-Systems in
    der Landwirtschaft zu demonstrieren: Sie wachsen sehr
    schnell. Sie benötigen nur etwa fünf Wochen, um auszu-
    reifen, und können zudem das ganze Jahr über in fenster-
    losen, klimatisierten Einrichtungen kultiviert werden. Die
    genetisch veränderten Sojabohnen und Kartoffeln hinge-

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