Die wichtigsten Methoden zur Pflanzenzucht im Überblick
Schlüsselbegriffe
Mutagenese: Seit den 1920er Jahren behandeln Forscher pflanz-
liches Saatgut mit Röntgenstrahlen, Gammastrahlen oder Chemikali-
en, um dessen DNA zu mutieren. Anschließend lassen sie es keimen
und prüfen, ob bei der Prozedur günstige Merkmale entstanden sind.
Falls ja, werden die mutierten Pflanzen mit vorhandenen Sorten
gekreuzt. Die Gewächse, die daraus hervorgehen, bewertet das
US-Landwirtschaftsministerium (USDA) nicht als GVO. Auch nach
dem deutschen Gentechnikgesetz gelten sie nicht als solche.
Gene Silencing: Etwa seit dem Jahr 2005 gelingt es Wissen-
schaftlern, Gene mit unerwünschter Wirkung auszuschalten, indem
sie RNA-Schnipsel in die jeweiligen Pflanzenzellen einführen. Diese
interferierende RNA (iRNA) ist so konstruiert, dass sie an jene Boten-
RNA bindet, welche die Information des Gens an die Proteinsynthese-
maschine der Zelle überträgt. Das führt entweder zur Zerstörung der
Boten-RNA oder zu ihrer »Stummschaltung« und somit zur Inaktivie-
rung des Gens. Mit dieser Methode wurden unter anderem bräu-
nungsresistente Kartoffeln und Äpfel erzeugt. Das USDA bewertet sie
nicht als gentechnisch veränderte Organismen. Das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit teilt diesbezüglich mit,
es prüfe auf Antrag, ob es sich bei einem Organismus, der nach einem
neuen Züchtungsverfahren erzeugt wurde, um einen GVO im Sinn des
Gentechnikgesetzes handle oder nicht. Weiter heißt es, das Bundes-
landwirtschaftsministerium strebe ein auf europäischer Ebene abge-
stimmtes Vorgehen bei den neuen Techniken der Pflanzenzüchtung an.
Cisgenese: Bei diesem Verfahren bringen Wissenschaftler
Erbmate rial nur von solchen Spezies ein, die mit der behandelten Art
kreuzbar sind; die entstehende cisgene Pflanze könnte also auch
durch natür liche Kreuzung entstehen. Das soll das Risiko des Einbrin-
gens artfremder Erbanlagen (Transgenese) mindern. Die Übertragung
des Erbma terials erfolgt typischerweise mit Hilfe einer Pflanzen
infizierenden Mikrobe namens Agrobacterium tumefaciens, welche die
gewünschten Gene an einer weitgehend zufälligen Stelle der Pflan-
zen-DNA einbaut. Bei cisgenen Pflanzen entscheidet das USDA von
Fall zu Fall, wie sie reguliert werden sollen. Genauso verfährt laut
Selbstauskunft das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Transgenese: Erbanlagen, die für ein erwünschtes Merkmal ko-
dieren, werden von einem Organismus auf einen anderen, artfremden
übertragen. Wie bei der Cisgenese dient hier das Bakterium A. tume-
faciens als Genfähre. Beispiele für transgene Nutzpflanzen sind Getrei-
de, denen ein Herbizidresistenzgen eingebaut wurde. 90 Prozent aller
in den USA angebauten Sojabohnen sind transgen. Sie gelten als gen-
technisch verändert – sowohl laut USDA als auch nach deutschem
Gentechnikgesetz.
Konventionelle Pflanzenzucht
per Kreuzung
Pflanzen werden absichtlich mutiert, selektiv gezüchtet
und mit anderen gekreuzt. Dabei gelangen riesige Chromo-
somenseg mente – mitunter Millionen Basenpaare groß – zusam-
men mit dem gewünschten Merkmal in das Erbgut einer domesti-
zierten Kultursorte. Durch nachfolgendes Kreuzen verringert sich
typischerweise der Anteil der übertragenen DNA; dennoch umfasst
das eingebaute Fremdmaterial oft hunderttausende Basenpaare
und kann unvorteilhafte Gene enthalten. Eine Analyse des Genoms
von Arabidopsis (Ver treter dieser Gattung dienen als Modellorga-
nismen in der Pflanzenforschung) ergab im Jahr 2010, dass die
konventionelle Züchtung in jeder Generation zu ungefähr sieben
neuen, spontanen Mutationen pro Milliarde Basenpaare führt.
JEN CHRISTIANSEN / SCIENTIFIC AMERICAN MÄRZ 2016; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT
Seit Jahrtausenden kultivieren Menschen Nutzpflanzen,
und immer bestand das Ziel darin, ihnen vorteilhafte(re)
Merkmale zu verleihen – etwa höhere Ernteerträge oder
mehr Resistenz gegenüber Krankheiten. Zunächst er-
folgte dies mittels konven tionellem Kreuzen. Ab Anfang
des 20. Jahrhunderts gingen Wissenschaftler dazu
über, das Erbgut von Pflanzen absichtlich zu schädigen –
in der Hoffnung, dass dabei zufällig günstige Eigen-
schaften entstehen könnten. Heute ermöglichen Präzi-
sionswerkzeuge wie CRISPR/Cas, einzelne Gene auszu-
schalten oder neues genetisches Material an ganz
bestimmten Stellen des DNA-Strangs einzufügen. All
diese Techniken verändern das Erbgut des betroffenen
Organismus, und dennoch muss das Ergebnis in den
Augen vieler Forscher nicht unbedingt ein gentechnisch
veränderter Organismus (GVO) sein.
Wildsorte
unerwünschte Frucht-
eigenschaften,
Pflanze aber
resistent
gegen
Mehltau
neue Kultursorte
mehltauresistente Pflanze
mit erwünschten Frucht-
eigenschaften
Pollen
erste Generation
Wiederholung über viele Generationen hinweg
Fremdpollen-
befruchtung
vorteilhaftes
Gen derzeitige^
Kultursorte
erwünschte
Fruchteigen-
schaften,
aber anfällig
für Mehltau
Befruchtung mit den
Pollen der ursprünglichen
Kultursorte, um den
Einfluss der Wildsorte auf
ausgewählte Merkmale
einzugrenzen
Befruchtung mit
den Pollen der
ursprüng lichen
Kultur sorte
zweite Generation
eingebautes,
vorteilhaftes Gen
Narbe