kleine Biotechfirmen wieder in ein Spiel zurück, das lange
Zeit den Großen der Agrarindustrie vorbehalten war. Le-
diglich finanzstarke Unternehmen konnten es sich leisten,
die kostspieligen Zulassungsverfahren der grünen Gen-
technik zu stemmen. Gentechnische Veränderungen von
Nutzpflanzen dienten deshalb bisher fast immer dem
Zweck, die Produk tion von Lebensmitteln gewinnbringen-
der zu machen – sei es über Ertragssteigerungen mit Hilfe
herbizidresistenter Gewächse des US-Konzerns Monsanto
oder über bessere Transportfähigkeit mit Hilfe von Flavr-
Savr-Tomaten (»Antimatschtomaten«) der kali fornischen
Firma Calgene, die 1997 von Monsanto aufgekauft wurde.
All diese Pflanzenmodifikationen dienten mehr der Agrar-
industrie als den Verbrauchern und zielten kaum auf die
Qualität der Lebensmittel ab.
Die innovativen Genome-Editing-Verfahren könnten das
Feld nun neu aufrollen. Caixia Gao von der Chinesischen
Akademie der Wissenschaften weist darauf hin, dass
Pflanzen viele Stoffe herstellen, die keinen direkten Nähr-
wert haben, etwa Toxine (siehe Spektrum April 2016, S. 28).
Mit Eingriffen ins Erbgut ließe sich das unterbinden, um
den Nährgehalt ebenso wie den Geschmack zu verbes-
sern. Letzteres trifft etwa bei der Kartoffelpflanze von
Calyxt bereits zu.
Michael Palmgren, Pflanzenbiologe an der Universität
Kopenhagen, hat vorgeschlagen, Nutzpflanzen mittels
Genome Editing partiell rückzuzüchten. Er meint damit,
nützliche Eigenschaften wiederherzustellen, die in vielen
Generationen landwirtschaftlicher Zucht verloren gegan-
gen sind. Wirtschaftlich bedeutsame Gewächse wie Reis,
Weizen, Orangen und Bananen sind beispielsweise sehr
anfällig gegenüber Krankheiten, und die »Wiederbele-
bung« inaktivierter Gene könnte ihre Resistenz erhöhen.
Vom Unkraut zur Nutzpflanze –
dank weniger genetischer Eingriffe
Solche Rückzüchtungsversuche sind bereits im Gang.
Daniel Voytas schlägt allerdings einen anderen Ansatz vor
als Palmgren. Seine Mitarbeiter und er versuchen, land-
wirtschaftlich vorteilhafte Erbanlagen aus vorhandenen
Hybridpflanzen in wilde Spezies zu übertragen, welche
widerstandsfähiger und anpassungsfähiger sind – bei-
spielsweise in Verwandte von Mais- und Kartoffelpflanzen.
»Oft sind es nur eine Hand voll Veränderungen in fünf,
sechs oder sieben Genen, die Früchte größer werden
lassen oder mehr Ähren hervorbringen – und damit Pflan-
zen, die man bisher bloß als Unkräuter kannte, plötzlich
wirtschaftlich interessant machen«, sagt der Gentechnik-
unternehmer. Statt Jahre darauf zu verwenden, Wild- mit
Kulturformen zu kreuzen, könne man die ersten einfach
per Genome Editing domestizieren, meint er.
CRISPR/Cas und andere genomeditierende Verfahren
scheinen den Zulassungsprozess allgemein zu beschleuni-
gen. Als das Unternehmen Calyxt erstmals beim US-Land-
wirtschaftsministerium anfragte, welche Sicherheitsanfor-
derungen seine mit TALENs modifizierten Kartoffelpflan-
zen erfüllen müssten, benötigten die Beamten mehr als ein
Jahr, bis sie im August 2014 entschieden, die veränderten
Gewächse bedürften keiner besonderen Regulierung. Als
die Firma im Sommer 2015 die gleiche Anfrage bezüglich
seiner genmodifizierten Sojabohnen formulierte, dauerte
es nur zwei Monate, bis die Gutachter zum gleichen
Schluss kamen. Anscheinend bewerten zuständige US-Be-
hörden die neuen Techniken mittlerweile als grundsätzlich
verschieden von transgenen Methoden.
Die schwedische Landwirtschaftskammer erklärte im
November 2015, einige mutierte Pflanzen, die mit dem
CRISPR/Cas-System erzeugt wurden, fielen nicht unter die
EU-Defi nition eines gentechnisch veränderten Organis-
mus. Argenti nien entschied ähnlich. Die EU überprüft
derzeit ihre Haltung zu den neuen Editing-Techniken. Mit
Spannung wird der Beschluss der EU-Kommission erwar-
tet, inwieweit CRISPR/Cas und andere Verfahren unter das
Gentechnikrecht fallen. Die Kommission hat ihre Entschei-
dung jedoch wiederholt verschoben.
Voytas und andere Forscher schlagen einen möglichen
Kompromiss vor: Demnach sollten genomeditierende
Eingriffe, die zu einer Mutation oder dem Abschalten
(»knock out«) eines Gens führen, analog zu herkömmli-
chen Formen der Pflanzenzucht angesehen werden, bei
denen etwa Röntgenstrahlung zum Einsatz kommt. Beim
Einbringen neuer DNA hingegen (Transgenese oder
»knock in«) sollten die Aufsichtsbehörden von Fall zu Fall
entscheiden.
Der Tag, an dem genomeditierte Lebensmittel auf den
Markt kommen, ist wohl nicht mehr fern. Voytas rech-
net mit der Markteinführung der Calyxt-Sojabohnen im
Jahr 2017 oder 2018. Wie wird die Öffentlichkeit reagie-
ren? Wahrscheinlich skeptisch, meint Jennifer Kuzma,
politische Analystin an der North Carolina State University
und Expertin für landwirtschaftliche Gentechnik: »Wer
die erste Genera tion gentechnisch veränderter Organismen
abgelehnt hat, wird das wohl auch bei der zweiten tun,
einfach weil es ein Eingriff in die DNA ist.« Kuzma hält es
für dringend notwendig, das Zulassungsprozedere zu
überarbeiten und mehr Gutachter am Überprüfungsver-
fahren zu beteiligen. Ihrer Meinung nach stehen wir an
einem Wendepunkt im Umgang mit genveränderten Le-
bensmitteln.
Was Yangs Pilze betrifft, so wird ihr Markterfolg oder
-misserfolg wesentlich von den Landwirten abhängen. Die
Champignons mögen noch so lange weiß bleiben. Doch
wenn die Züchter an deren Geschmack zweifeln oder Ab-
satzeinbrüche befürchten, weil die Kunden das neue Pro-
dukt nicht annehmen, wird es sich nicht durchsetzen.
QUELLEN
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