SdWSBMH0217

(Martin Jones) #1

einfach weil davon betroffene Fliegen sich nicht behaup-
ten können. Die Laborstämme sind diesen Kräften aber
nicht ausgesetzt, und viele auftretende Mutationen scha-
den ihnen nicht. Darum müssten sie allmählich komplexer
geworden sein als ihre Artgenossen in der Wildnis.
Fleming und McShea fanden diese Hypothese tatsäch-
lich bestätigt, als sie die wissenschaftliche Literatur zu 916
Laborlinien der Taufliege nach »Missbildungen« durchfors-
teten. In allen Populationen stießen sie auf eine Menge
Abnormi täten. Es gab zum Beispiel Tiere mit ungleichen
Beinen, mit ungewöhnlich gemusterten oder deformierten
Flügeln oder mit »verkehrt« gebildeten Fühlern (Antennen)
und so weiter (siehe auch Bild S. 55). In der Veröffentli-
chung dazu folgerten die Forscher, dass die Laborfliegen
komplexer geworden seien als ihre wilden Verwandten.


Ist das Gesetz einer kraftfreien Evolution
zu kurz gedacht?
Manche Fachkollegen begrüßen die neue Sichtweise.
Doch der Paläontologe Douglas Erwin vom Smithsonian
National Museum of Natural History in Washington sieht
in dem Konzept gravierende Fehler. Schon eine der Grund-
annahmen stimmt seiner Ansicht nach nicht. Nach dem
kraftfreien Evolutionsgesetz kann die Komplexität von
Organismen zunehmen, ohne dass dabei Selektion mit-
wirkt.
Diese Voraussetzung sei jedoch niemals gegeben –
nicht einmal bei noch so sehr umhegten Fliegen. Denn
schon wenn sich die Larve entwickele, müssten hunderte
Gene genau abgestimmt daran mitwirken, dass sich
überhaupt die Zelltypen differenzieren und dann die Orga-
ne ausbilden und so fort. Mutationen, die dieses ausgefeil-
te Wechselspiel stören, geben der werdenden Fliege keine
Überlebenschance – was bedeutet: Von Anfang an ist
Selektion massiv am Werk.
Vielleicht, meint Erwin, könne ein Organismus im
Ex tremfall ohne »äußere« Selektion existieren, also ohne
jene Umwelteinflüsse, die im evolutionären Rennen über
Sieg und Niederlage bestimmen. Trotzdem finde im Orga-
nismus stets eine innere Selektion statt – und dieser könne
er sich niemals verschließen. Erwin kreidet seinen Kolle-
gen an, dass sie Entwicklungsstörungen, bei denen das
Leben frühzeitig endet, nicht berücksichtigen, vielmehr
nur ausgereifte Tiere und deren Varianten betrachten.
Einen weiteren Einwand teilt Erwin mit anderen Kriti-
kern der Theorie. Sie stören sich an der Handhabung des
Begriffs Komplexität. Die meisten Forscher würden ihn
anders definieren als McShea und Brandon. Nimmt man
etwa das Auge, so ist das Besondere daran nicht ein-
fach nur, dass es aus sehr vielen verschiedenen Teilen
besteht. Vielmehr vollbringen diese Teile zusammen eine
bestimmte Aufgabe, wobei jeder Bestandteil in dem
Ganzen seine eigene Funktion erfüllt.
Gegen dieses Argument wenden McShea und Bran-
don ein, bei ihren Thesen würden sie eine Komplexität
betrachten, aus der die andere Komplexität erwachsen
könne. Die bei Dro sophila beobachteten Veränderungen
stellten Ausgangsmaterial für mögliche anschließende
Selektionsprozesse dar – seien also eine Grundlage, aus


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Artikelnachweise: Vererbung der anderen Art SdW 7/2015 · Genregulation durch
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