Damit unser Körper richtig funktioniert, müssen sich
seine Billionen von Zellen untereinander verständigen
können. Dabei nutzen sie ganz unterschiedliche
Formen des Informationsaustauschs. Einige produzieren
Hormone, die über das Blut zu ihrem Ziel gelangen, ande-
re schütten Neurotransmitter aus, um Sig nale von einem
Neuron zum nächsten zu leiten. Daneben haben aber
praktisch alle Zellen einen weiteren Kommunika tionsweg
gemeinsam: Sie sind mit ihren Nachbarn über Kanäle
verknüpft, die das Innere beider Partner in direkten Kon-
takt miteinander bringen.
Eine eindrucksvolle Demonstration dieser Form der
Zell-Zell-Kommunikation gelang Mitte der 1960er Jahre,
als Forscher fluoreszierende Farbstoffmoleküle in eine
einzelne Zelle inmitten eines dicht gepackten Zellhaufens
injizierten. Durchs Mikroskop sahen sie, wie sich die
Fluoreszenz rasch von einer Zelle auf die nächste ausbrei-
tete, bis mitunter Hunderte davon leuchteten. Zellen
mussten also über Kanäle verfügen, durch die Moleküle
von Zelle zu Zelle wandern können.
AUF EINEN BLICK
ZELLGEFLÜSTER
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Über Gap Junctions tauschen Nachbarzellen Infor-
mationen aus – Voraussetzung für viele Funktionen,
darunter etwa das synchronisierte Schlagen der
Herzzellen ebenso wie unsere Fähigkeit zu hören.
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Gap Junctions, oft aus mehr als 100 000 Proteinen,
werden kontinuierlich ab- und aufgebaut. Die sorgfäl-
tig gesteuerte Umstrukturierung ermöglicht es Zellen,
rasch auf Verletzungen oder Stress zu reagieren.
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Mutationen in den Genen, die für Gap-Junction-Proteine
kodieren, führen beim Menschen unter anderem zu
Haut- und Herzkrankheiten, Epilepsie und Schwerhö-
rigkeit.
Dale W. Laird (links) ist
Professor für Zellbiologie
an der University of Western
Ontario. Paul D. Lampe
(daneben) forscht am Fred
Hutchinson Krebsfor-
schungszentrum in Seattle.
Ross G. Johnson (unten) ist
emeritierter Professor für Genetik, Zellbiolo-
gie und Entwick lung an der University of Min-
ne sota. Er begann bereits in den 1960er Jahren
mit der Erforschung von Gap Junctions und be-
schäftigte sich gemeinsam mit Laird und Lampe
mehr als 20 Jahre lang mit ihrem Aufbau und
ihrer Regulation.
spektrum.de/artikel/1372763
Inzwischen wissen Biologen, dass diese Kanäle in den
Geweben aller Tiere einschließlich des Menschen vor-
kommen und an außerordentlich vielfältigen Funktionen
beteiligt sind. Die Kanäle gruppieren sich dabei zu so
genannten Gap Junctions, die bei der Synchronisation des
rhythmischen Zusammenziehens der Herzmuskelzellen
ebenso mitwirken wie bei den Uteruskontraktionen wäh-
rend der Geburt. Gap Junctions ermöglichen es dem
Auge, sich an unterschied liche Lichtverhältnisse anzu-
passen, und spielen sogar bei der Organbildung während
der embryonalen Entwicklung eine Rolle.
In den letzten beiden Jahrzehnten haben Wissenschaft-
ler herausgefunden, dass Fehler beim Zusammenbau
oder bei der Aktivität von Gap Junctions zu einer Reihe
von Erkrankungen beitragen: Taubheit, Katarakten, Haut-
problemen, neurologischen Erkrankungen, Herzkrank-
heiten und sogar Krebs. So ist eine einzelne Mutation in
einem Proteinbestandteil einer Gap Junction im Innen-
ohr bei bis zu 40 Prozent aller Personen mit erblicher Taub-
heit für den Hörverlust verantwortlich. Und es werden
laufend weitere Krankheiten entdeckt, die auf fehlerhaften
Gap Junctions beruhen, wie etwa erst kürzlich ein be-
stimmter Epilepsietyp, der bei Kindern auftritt. Aktuelle
Studien liefern nun spannende neue Einblicke in den
Aufbau von Gap Junctions und beginnen aufzudecken,
wie ihre Störung zu Krankheiten führen kann.
Bei den ersten Experimenten mit Farbstoffinjektionen
dachten die Wissenschaftler noch nicht so sehr an die mög-
liche medizinische Bedeutung. In den 1960er und 1970er
Jahren lag der Fokus darauf, weitere Nachweise für diese
rätselhafte nachbarschaftliche Kommunikation zwischen
Zellen zu finden und mehr über deren Eigenschaften zu
lernen. Bevor man Gap Junctions als solche entdeckte, hat-
ten Physiologen bereits bei einer Vielzahl von Organen
und Organismen einen direkten zellulären Austausch von
Molekülen nach gewiesen – von Tintenfischembryonen
und elektrischen Fischen bis hin zu Säuge tieren.
Ende der 1960er Jahre wollten die Forscher dann ge-
nauer herausfinden, wie die Kanäle aussehen und wie
sie entstehen. Frühere mikroskopische Untersuchungen
hatten große flache Bereiche gezeigt, an denen die Mem-
branen zweier benachbarter Zellen dicht beieinanderliegen.
An diesen Kontaktstellen (englisch: junctions) schienen die
Zellen nur durch einen sehr schmalen, wenige Nanometer
breiten Spalt (englisch: gap) voneinander getrennt zu sein,
was zu der Bezeichnung »Gap Junction« führte.
Wie Gap Junctions entstehen
Welche Rolle spielen diese flachen Membranstellen bei
der zellulären Verbindung, die man in den Farbstoff- und
elektrischen Experimenten beobachten konnte? Um das
zu klären, begann einer von uns (Johnson) zu untersuchen,
was passiert, wenn solche Kontaktstellen entstehen. Ge-
meinsam mit seinen Kollegen an der University of Min-
nesota trennte er aus einem Lebertumor stammende
kultivierte Zellen vorsichtig voneinander und vermischte
sie dann wieder. Innerhalb von Minuten entstanden auf
den Zellmembranen abgeflachte Stellen – aber nur dort,
wo sich zwei Zellen berührten. Diese Beobachtung bestä-