SdWSBMH0217

(Martin Jones) #1
tigte eine Vermutung, der zufolge der Aufbau einer Gap
Junction ein Gemeinschaftsprojekt ist, das die Zusammen-
arbeit benachbarter Zellen erfordert. Mit der Größe dieser
Kontaktstellen nahm auch der elektrische Strom zwischen
diesen Zellen zu; sie schienen also den Ionenaustausch zu
erleichtern.
Um sich das näher anzusehen, entfernten Johnson und
sein Team die Membranen der miteinander verbundenen
Zellen und entdeckten dadurch Partikel, die sich innerhalb
der abgeflachten Stellen angesammelt hatten. Wie sich
später herausstellte, handelte es sich dabei um genau die
Kanäle, aus denen sich die Gap Junctions zusammenset-
zen (siehe »Auf- und Abbau von Gap Junctions«, S. 64/65).
Jeder Kanal besteht seinerseits aus so genannten Conne-
xinen: Molekülen, die zu einer Ende der 1980er Jahre
entdeckten Proteinfamilie gehören.
Sechs Connexine bilden gemeinsam eine donutförmige
Struktur in der Außenmembran einer Zelle, die als Conne-
xon oder Hemikanal (Halbkanal) bezeichnet wird. Diese
kann mit dem entsprechenden Gegenstück einer benach-
barten Zelle einen gemeinsamen Kanal herstellen – eine
Pore, über die das Zytoplasma der einen Zelle direkt mit
dem ihrer Nachbarin kommuniziert. Eine große Gap Junc-
tion kann durchaus 10 000 solcher Kanäle enthalten. Da
jede Pore aus zwei Halbkanälen besteht, macht das insge-
samt 120 000 Connexine pro Verbindung. Allein das Herz
umfasst Milliarden von Zellen, von denen jede einzelne mit
mehreren Nachbarzellen über Gap Junctions kommuni-
ziert. Diese vielen Konglomerate zu produzieren, stellt den
Körper also vor eine Mammutaufgabe.
Umso bemerkenswerter ist es, dass die Kontaktstellen
keineswegs dauerhaft oder auch nur langlebig sind,
sondern kontinuierlich auseinander- und wieder zusam-
mengebaut werden. So ersetzt unser Körper durchschnitt-
lich alle zwei Stunden die Hälfte der Connexine einer Gap
Junction im Herzen. Im Lauf eines Tages wird also höchst-
wahrscheinlich jede einzelne derartige Verbindung in
einem menschlichen Herzen abgebaut, und neu zusam-
mengebaute Kanäle treten an ihre Stelle.

Angesichts der Komplexität dieser außergewöhnlichen
Strukturen muss es wohl Systeme geben, die sicherstel-
len, dass ihr Aufbau reibungslos verläuft, damit die Zell-
Zell-Kommunikation nicht unterbrochen wird. Wir drei
haben uns zusammengetan, um diese regulatorischen
Mechanismen zu erforschen. Insbesondere interessiert
uns, wie Auf- und Abbau der Kommunikationskanäle
gesteuert werden.
Bei einem Kaffee auf einer Tagung zu Gap Junctions
heckten wir 1991 den genauen Plan unserer zukünftigen
Kollaboration aus. Paul Lampe war damals als Postdoc in
Ross Johnsons Labor an der University of Minnesota, wo
man gerade begann, sich schwerpunktmäßig mit der
Regulation des Aufbaus von Gap Junctions zu beschäfti-
gen. Dale Laird als letztes Mitglied unseres Trios hatte als
Postdoc in Jean-Paul Revels Labor am California Institute
of Technology eine Reihe von Antikörpermolekülen kon-
struiert, die spezifisch an Connexin-Proteine binden. Diese
molekularen Werkzeuge würden uns ermöglichen heraus-
zufinden, welche Bereiche der Connexine für die Bildung
und Aktivität der Gap Junctions von Bedeutung sind.
Lairds Antikörper erkannten ein bestimmtes Connexin-
Molekül, das Cx43. Beim Menschen finden sich 21 ver-
schiedene dieser Proteine, und jeder Zelltyp stellt sein
eigenes charakteristisches Sortiment davon her. Hautzel-
len beispielsweise bilden bis zu neun verschiedene Conne-
xine. Beim Cx43 handelt es sich um das am weitesten
verbreitete Mitglied der Proteinfamilie. Es findet sich in
vielen Organen, neben der Haut etwa auch im Herzen, im
Gehirn, in den Lungen und in Knochen.

Proteinschwänze, die den Kanalbau regeln, und
Schleifen mit Klettverschluss
Wie alle Connexine besteht Cx43 aus vier die Zellmembran
durchziehenden Abschnitten, die das Protein in dieser
verankern. Der Schwanz des Proteins im Zellinnern enthält
viele Elemente, die seine Aktivität und den Zusammenbau
zu Kanälen und Gap Junctions regulieren, wie wir später
feststellten. Durch die mehrfache Membrandurchdringung
entstehen zwei Schleifen, die in den Raum zwischen den
Zellen ragen. Einige der von Laird erzeugten Antikörper
richten sich gegen diese extrazellulären Bereiche.
Da die Schleifen aus der Zelloberfläche herausragen,
könnten sie sich wie bei einem Klettverschluss wechselsei-
tig einhaken und so die Connexine miteinander verknüp-
fen. Um diese Vermutung zu untersuchen, trennten wir
erneut kultivierte Zellen voneinander und vermischten sie
dann wieder – diesmal aber im Beisein von Lairds Antikör-
pern. Und jetzt bildeten sich keine Gap Junctions! Wir
beobachteten weder einen Transfer von injiziertem Farb-
stoff zwischen Zellen noch die charakteristischen abge-
flachten Stellen. Durch Anheften an die Schleifen hatten
die Antikörper verhindert, dass die Connexine verschie-
dener Zellen aneinander andocken.
Als Nächstes wollten wir die Tunnelproteine auf ihrem
Weg von der Produktion bis zur Gap Junction in einer
lebenden Zelle in Echtzeit beobachten. Aber dazu brauch-
ten wir eine andere Technik. 1994 trafen wir drei uns
erneut bei einer Konferenz – diesmal der Tagung der

MICHAEL M. ATKINSON UND JUDSON D. SHERIDAN, UNIVERSITY OF MINNESOTA


Der in eine einzelne Zelle (Mitte) injizierte Farbstoff wandert
rasch über Gap­Junction­Kanäle in deren Nachbarn hinein.
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