Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1

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BIOCHEMIE
PSILOCYBIN PER
ENZYM


Deutsche Forscher
haben Psilocybin mit
Enzymen hergestellt, die
von Bakterien erzeugt
wurden. Die Substanz ist
der Wirkstoff halluzino-
gener Pilze (»magic
mushrooms«). Derzeit
prüfen Mediziner ihren
Nutzen gegen Angstzustän-
de bei Krebspatienten
sowie gegen Depressionen
und Nikotinsucht.
Die Gruppe um Dirk
Hoffmeister von der Univer-
sität Jena hat den Synthese-
weg von Psilocybin nach-
vollzogen und dabei eine
Überraschung erlebt: Die
für die Synthese nötigen
Reaktio nen fanden in
anderer Reihenfolge statt
als vermutet – und das,
obwohl Psilocybin bereits
Mitte des 20. Jahrhunderts
gründlich erforscht wurde.
Zunächst sequenzierte
Hoffmeisters Team das
Genom eines Psilocybin-
Pilzes und identifizierte so
die Baupläne vier geeig-
neter Enzyme für die Syn-
these. Anschließend pflanz-
ten die Biochemiker Bakte-
rien die entsprechenden
Gene ein und gewannen
damit die katalytischen
Proteine. Ausgehend von
4-Hydroxy-L-Tryptophan,
einem Abkömmling der
Aminosäure Tryptophan,
genügten drei Enzyme für
die Herstellung von Psilocy-
bin. Ein viertes war nötig,
um die Umsetzung von
Tryptophan, das dem Pilz
selbst als Ausgangsstoff der
Produktion dient, in sein
4-Hydroxy derivat zu kataly-
sieren.
Die Arbeit könnte den
Weg zu einem großtechni-

schen Herstellungsverfah-
ren von Psilocybin ebnen.
Ein solches würde bei
steigendem Bedarf des
psychotropen Stoffs an
Bedeutung gewinnen. Es ist
zwar bereits möglich,
Psilocybin mit klassi schen
chemischen Methoden zu
produzieren. Sie gelten
jedoch als aufwändig und
ineffizient.
Angew. Chem. 10.1002/
ange.201705489, 2017

PLANETEN­
FORSCHUNG
DIAMANTEN
IM NEPTUN


Im Inneren von Uranus
und Neptun gibt es
vermutlich unzählige Dia-
manten. Das schließt ein
internationales Forscher-
team um Dominik Kraus am
Helmholtz-Zentrum in
Dresden-Rossendorf aus
einem Laborexperiment,
mit dem die Wissenschaft-
ler chemische Prozesse im

Inneren der Eisriesen nach-
gestellt haben.
Die beiden äußeren Pla-
ne ten im Sonnensystem ha-
ben eine dicke Atmosphäre
aus Wasserstoff und Helium.
Darunter vermuten Forscher
seit Längerem eine weit
ausgedehnte Region aus
Wasser, Ammoniak und Me-
than, die von den darüber-
liegenden Schichten stark
zusammengedrückt wird. In
etwa 10 000 Kilometer Tiefe,
einem Fünftel des Neptun-
durchmessers, sind Druck
und Temperatur bereits so
hoch, dass sich die Kohlen-
und Wasserstoffatome des
Methans voneinander
trennen können.
Um diesen Strukturwan-
del nachzustellen, nutzten
die Materialwissenschaftler
um Kraus zwei sehr starke
Laser des Stanford Linear
Accelerator Center. Die
Lichtpulse trafen kurz hin-
tereinander auf ein hauch-
dünnes Plättchen aus dem
Kohlenwasserstoff Poly-
styrol. Beim Verdampfen

der Probe entstanden
Schockwellen, die das
Material für einige Nano-
sekunden auf 5000 Grad
Celsius erhitzten und es
unter das 1,5-Millionen-
fache des irdischen Atmo-
sphärendrucks setzten.
Mittels ultrakurzer Rönt-
genblitze konnte das Team
beobachten, wie die che-
mische Verbindung auf die
extremen Bedingungen
reagierte. Wie vermutet
trennten sich Wasserstoff-
und Kohlenstoffatome
voneinander, woraufhin
letztere die Kristallstruktur
von Diamant bildeten. Auf
Neptun und Uranus
müssten sich die wenige
Nanometer großen Partikel
zu größeren Klumpen
zusammenfinden, spekulie-
ren die Forscher. Letztlich
würden die Diamanten in
Richtung des Planetenkerns
sinken und sich dort in einer
extrem hochkarätigen
Schicht sammeln.
Nature Astronomy 10.1038/
s41550-017-0219-9, 2017

LUNAR- AND PLANETARY INSTITUTE

Neptuns Kern umgibt eine dichte, flüssige Schicht, die unter großem Druck steht. Wegen
der extremen Bedingungen könnten sich darin Diamanten bilden.

äußere Atmosphäre
(Wolken)

Mantel
(Wasser, Ammoniak,
Kohlenwasserstoffe)

Atmosphäre
(Wasserstoff, Helium,
Methan)

Kern
(Eisen, Nickel, Silikate)
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