Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1

längere Zunge, die sie besser zu kontrollieren vermögen
als ein Javaneraffe.
Doch wieso können Affen dann nicht sprechen – ob-
wohl sie von der Anatomie ihres Mund- und Rachenraums
her offenbar dazu fähig wären, verschiedene Konsonanten
und Vokale zu erzeugen? Wie viele andere Wissenschaftler
vermutet Fitch, dass ihr Gehirn nicht die Voraussetzungen
bietet, Silben und Wörter zu bilden. Neuronale Schalt-
kreise müssten Atmung und Vokaltrakt sehr präzise an-
steuern, somit genau abgestimmte Bewegungskombinati-
onen in Höchstgeschwindigkeit hervorbringen.
Begrenzt können Affen ihren Lautapparat durchaus
willentlich beeinflussen: Im Zoo von Indianapolis etwa
lernte der Orang-Utan Rocky, auf Kommando höhere oder
tiefere Grunzlaute von sich zu geben. Diese Menschenaf-
fen vermögen auch stimmhafte Alarmrufe mit stimmlosen
Lauten zu kombinieren. Ob sie dazu in der Lage wären,
Vokale mit Konsonanten zu verknüpfen, vielleicht sogar
absichtlich, weiß man noch nicht.
Beim Menschen kommen die motorischen neuronalen
Signale, die an den Kehlkopf weitergeleitet werden, unter
anderem aus dem Motorkortex, sind also willentlich steu-
erbar. Bei Affen scheinen die Befehle hauptsächlich aus
dem Mittelhirn zu stammen. Entsprechende Verbindungen
zur motorischen Hirnrinde fehlen ihnen wohl. Überdies ist
der Motorkortex beim Menschen stark mit der Hörrinde
vernetzt, bei Schimpansen hingegen wesentlich weniger
und bei Makaken kaum. Das ermöglicht uns zusätzlich
eine viel bessere Kontrolle über unsere Lautäußerungen,
die gerade beim Sprechen wichtig ist.
Allein auf Gehirnveränderungen fußt unser Sprachver-
mögen jedoch sicherlich nicht. Auch der Stimmapparat
hat sich in unserer Evolution stark verändert. Besonders
der abgesenkte Kehlkopf trägt zum verständlichen Spre-
chen bei. Er lag schon beim Neandertaler tiefer, wenn
auch vermutlich etwas höher als bei uns. Viele Paläontolo-
gen sind davon überzeugt, dass diese Frühmenschen
bereits eine Sprache besaßen. Doch dürfte ihre Sprech-
weise für uns fremdartig geklungen haben, und sie ver-
mochten wohl nicht alle unsere Laute zu bilden.
Die neuen Studien erweisen, dass sich einige wichtige
Aspekte der Sprachevolution gut an heutigen Affen erfor-
schen lassen. Was einem von ihnen zumindest theoretisch
möglich ist, konnte unser letzter gemeinsamer Vorfahre
wahrscheinlich auch.


Nicole Paschek ist Biologin und Wissenschaftsjournalistin in Trier.


QUELLEN


Fitch, W. T. et al.: Monkey Vocal Tracts are Speech-Ready. In:
Science Advances 2, e1600723, 2016


Lieberman, P. H. et al.: Vocal Tract Limitations on the Vowel
Repertoires of Rhesus Monkey and Other Nonhuman Primates. In:
Science 164, S. 1185–1187, 1969


Boë, L.-J. et al.: Evidence of a Vocalic Proto-System in the Baboon
(Papio papio) Suggests Pre-Hominin Speech Precursors. In: PLoS
One 12, e0169321, 2017


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