Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1

kochte. Zogen die Gruppen zu einem anderen Lagerplatz
weiter, blieben die Steinwerkzeuge zurück, denn es gab
überall genug Geröll, und man wollte keinen unnötigen
Ballast mitschleppen. Mitunter stoßen die Ausgräber zu­
sätzlich zu den Artefakten des Hoabinhian auch auf Steine
mit angeschliff enen Schneiden oder parallelen Ritzungen
sowie auf Bruchstücke schnur­ oder ritzverzierter Keramik.
An einigen Plätzen liegen die Fundschichten über denen
des Hoabinhian, weshalb manche Wissenschaftler dieses
wiederum nach einem bestimmten Fundgebiet benannte,
aber im Verbreitungsgebiet des Hoabinhian liegende
»Bacsonian« als eigenständige Entwicklung sehen. Andere
betrachten es eher als Endphase des Hoabinhian, in der
sich Fremdeinflüsse zeigen.
Das Alter der drei Industrien genauer zu erfassen und in
einen Zusammenhang zu stellen, ist anhand der Stein­
werkzeuge allein kaum möglich. Doch mitunter enthalten


die Siedlungsschichten auch Holz, Holzkohle oder andere
organische Materialien, die sich mit der Radiokohlenstoff­
methode datieren lassen. Gelegentlich kommen sogar
Überreste von Gräbern zum Vorschein. Das Knochenmate­
rial daraus kann ebenfalls datiert werden. Das bisher mit
etwa 17 500 Jahren älteste Grab entdeckten vietnamesi­
sche Ausgräber in der Xom­Trai­Höhle in der Provinz Hoa
Binh. In dieser Region liegt auch die Con­Moong­Höhle
mit ihren über acht Meter mächtigen, mit archäologischen
Funden durchsetzten Sedimentschichten, ein Glücksfall für
die vietnamesische Archäologie. Die untersten Schichten
stammen den Artefakten nach aus dem Sonvian. Zudem
wurden darin sieben Gräber mit menschlichen Skelettres­
ten und andere organische Funde ausfindig gemacht, die
eine Datierung ermöglichten: Sie stammen aus der Zeit
von vor 16 300 bis vor 13 500 Jahren. Organisches Material
aus Schichten des darüber liegenden Hoabinhian waren
10 500 Jahre alt; und schließlich wurde das Alter der
oberen Schichten, das Beile mit geschliffenen Schneiden
enthielt, auf mindestens 9500 Jahre vor heute datiert.
In den meisten Gräbern jener Zeit stößt man nur noch
auf massive Knochenteile wie Schädel oder Langknochen
und auf die mit sehr hartem Zahnschmelz ausgestatteten
Zähne, denn die feineren Knochen sind zumeist vergan­
gen. Während aller drei Phasen – Sonvian, Hoabinhian und
Bacsonian – bettete man die Verstorbenen auf die Seite,
winkelte ihre Beine an und bog den Oberkörper zu den
Knien; mitunter wurden diese so genannten Hockerbestat­
tungen mit Rötel bestreut. Die Stellung der Toten und
den Farbschmuck kennen Prähistoriker auch aus anderen
Teilen der Welt. Wir können daraus zwar auf besondere
Beisetzungsrituale schließen, Hinweise auf einen Jenseits­
glauben liefern aber nur Grabbeigaben. Tatsächlich stie­
ßen vietnamesische Archäologen zumindest in Ausnahme­
fällen auf einzelne Steinwerkzeuge und Molluskenschalen,
so etwa in der Con­Moong­Höhle.

Archäologen und Helfer
sieben 2008 bei Aus-
grabungsarbeiten vor
der Xom-Trai-Höhle nach
Fundstücken (links).
Eine massive Schicht
von Mollusken wird am
Eingang der Hang-
Boi-Höhle untersucht
(Bild unten). Fast alle
Schalenreste stammen
von nur zwei verschie-
denen Landschnecken-
arten. Jedes Maß-
stabs segment entpricht
20 Zenti metern.

MIT FRDL. GEN. VON RYAN J. RABETT

MIT FRDL. GEN. VON NGUYEN VAN VIET
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