Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1

MATHEMATISCHE UNTERHALTUNGEN


DURCHBLICK-POLYEDER


Mit unglaublicher Geduld gelingt es, räumliche Körper herzu-
stellen, die auch den Blick auf verborgene Teilflächen zulassen.

Christoph Pöppe ist Spektrum-Redakteur für Mathematik und Computertechnik.

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Eigentlich ist Ulrich Mikloweit Chemiker; sein Geld
verdient er als Umwelt- und Abfallbeauftragter des
Klinikums der Universität Essen. Aber auch Chemiker
müssen sich gelegentlich mit Geometrie befassen, und
zwar wenn es um Kristallstrukturen geht. In diesem Zu-
sammenhang bekam der Chemiestudent Ulrich Mikloweit
1974 die Aufgabe, in Gedanken alle Flächendiagonalen in
einem Würfel zu ziehen und zu ermitteln, zu welchen
Körpern sich diese insgesamt zwölf Strecken fügen. Die
Antwort: Es handelt sich um zwei regelmäßige Tetraeder,
die einander durchdringen (Bild unten).

Bereits Johannes Kepler (1571–1630) beschrieb diesen
Körper und gab ihm seinen heute gebräuchlichen Namen
»Stella octangula« (achtspitziger Stern). Er ist zugleich das
einfachste Beispiel für ein äußerst fruchtbares Konzept:
die Dualität. Im Prinzip macht man aus einem Polyeder
(einem von ebenen Flächen begrenzten Körper) ein ande-
res, indem man alle Flächen durch Ecken ersetzt und
umgekehrt. Wenn bei dem ursprünglichen Polyeder zwei
Flächen eine gemeinsame Kante haben, dann sind bei
dem neuen (dem »dualen«) Polyeder die zugehörigen Ecken
durch eine Kante verbunden und umgekehrt.

CHRISTOPH PÖPPE CHRISTOPH PÖPPE

CHRISTOPH PÖPPE

Die Stella


octangula


Der Körper besteht
aus zwei einander
durchdringenden
regulären Tetra-
edern. In der Schräg-
ansicht (unteres
kleines Bild) erkennt
man, dass alle
Verbindungslinien
von einer gelben zu
den jeweils benach-
barten weißen Ecken
die Kanten eines
Würfels bilden. Das
Papier für die Seiten-
flächen ist aus-
nahmsweise nicht
mit der Schere,
sondern mit dem
Laser geschnitten.
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