Antike Welt - Nr5 2017

(Elliott) #1
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POLITISCHE CODES UND EDLE STEINE – FuŶkioŶ uŶd VerǁeŶduŶg der PruŶkkaŵeeŶ

Die EŶtstehuŶg des PriŶzipats
und des kaiserlichen Hofes
Einen großen Einschnitt stellte wenig
später die Begründung des Prinzipats
durch Augustus ȋreg. ʹ͹ v. Chr. – ͳͶ
n. Chr.Ȍ dar mit der dauerhaften Kon­
zentration der entscheidenden politi­
schen und militärischen Befugnisse auf
die Person des Princeps, seiner religiö­
sen Überhöhung und kultischen Ver­
ehrung. Damit verbunden waren die
Entstehung der kaiserlichen Familie,
der domus Augusta, in der neben den
männlichen insbesondere auch die
weiblichen Familienmitglieder eine völ­
lig neue, auch politische Rolle spiel­
ten, und die Entstehung einer Hofge­
sellschaft um den Princeps: Die Nähe
und der Zugang zum Kaiser wurden
nun entscheidend. Zum Hof gehörten
neben der domus Augusta und einem
Teil der Senatoren auch z. B. manche
Freigelassene des Kaisers. Es sind
wohl vor allem diese (ofkreise, in de­
nen die Kameen mit Darstellungen
der Kaiser und ihrer Familie rezipiert
wurden. Ein relativ frühes Beispiel für
einen solchen Kameo stellt der Augus­
tus­Kameo vom Lotharkreuz dar, der
auf ein konkretes historisches Ereig­
nis, nämlich die Rückgabe der römi­
schen Feldzeichen durch die Parther
ʹͲ v. Chr., Bezug nimmt und Augustus
in stark idealisierter Weise darstellt.


Die herausragendsten Beispiele für
die römische Kameenkunst sind je­
doch die Prunkkameen, außergewöhn­
lich große und kostbare Kameen, von
denen drei Beispiele aus dem 1. Jh.
n. Chr. – die Gemma Augustea, die
Gemma Tiberiana und die Gemma
Claudia – hier kurz vorgestellt wer­
den. Gerade diese Kameen werfen al­
lerdings viele Verständnis­ und In­
terpretationsprobleme auf, z. B. in
Hinblick auf die dargestellten Perso­
nen und Symbole oder aufgrund von
Beschädigungen und späteren Über­
arbeitungen. Es handelt sich bei ih­
nen um elitäre Kunstwerke, die auch
die meisten antiken Betrachter nicht
ohne weiteres in allen Einzelheiten
verstanden haben dürften. Heute be­
steht aber ein weitgehender Grund­
konsens darüber, dass diese Kameen
in einem bestimmten historischen Kon­
text entstanden sind, sich auf ein kon­
kretes historisches Ereignis beziehen
und daher auch eine wichtige histori­
sche Quelle darstellen.

Die Gemma Augustea
Der Kameo ist in zwei Bildhälften ge­
teilt ȋAbb. ͳȌ. )n dem breiteren, obe­
ren Bildfeld sitzt Augustus, mit Lang­
zepter und nacktem Oberkörper dem
Iupiter angeglichen, auch der Adler
unter seinem Thron stellt einen Be­

zug auf den höchsten römischen Gott
dar. In der Rechten hält er den Lituus,
der ihn als Inhaber des militärischen
Oberbefehls kennzeichnet. Er ist die
zentrale Person, die Augen aller ande­
ren sind auf ihn gerichtet. Neben ihm
sitzt die römische Stadtgöttin Roma
mit Helm und Waffen, Rüstungsteile
unter den Füßen von ihr und Augus­
tus symbolisieren die militärische vir-
tus und Sieghaftigkeit des Princeps
und Roms. Zwischen ihnen ist am obe­
ren Rand des Kameos der Capricor­
nus, das Sternbild des Augustus, abge­
bildet, das mehrfach auch auf Münzen
des Augustus erscheint. Rechts hin­
ter Augustus steht die Göttin Rhea­
Cybele, die die corona civica über sei­
nen Kopf hält, einen dem Princeps 27
v. Chr. vom Senat für die Errettung der
Bürger aus den Bürgerkriegen verlie­
henen Eichenlaubkranz. Zusammen
mit dem neben ihr stehenden Gott
Kronos­Saturnus symbolisiert sie die
Wiederkehr des Goldenen Zeitalters
unter Augustus. Links steigt Tiberius,
sein von ihm adoptierter Stiefsohn
ȋAbb. ʹȌ, gerade von einem von zwei
Pferden gezogenen Wagen, der von
der geflügelten Siegesgöttin Victoria
gelenkt wird. Er kehrt soeben sieg­
reich, worauf neben Victoria sein Lor­
beerkranz und der Helm unter seinem
Wagen hinweisen, nach Rom zurück.

AUGUSTUS ∞ Livia


Iulia TIBERIUS Drusus d. Ä. ȋ† ͻ v. Chr.Ȍ


Agrippa Drusus d. J. Germanicus CLAUD)US
Postumus

adopt. Ͷ n. Chr.

adopt. Ͷ n. Chr. adopt. Ͷ n. Chr.


Abb. 2
Stark vereinfachtes Stemma der Familie des
Augustus im Jahr ͻ n. Chr.; Personen, die auf der
Gemma Augustea abgebildet sind bzw. waren,
sind unterstrichen.
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