Antike Welt - Nr5 2017

(Elliott) #1
ANTIKE WELT 5/

PALMYRENISCH-ARAMÄISCH


Ein Blick in die reiche Vergangenheit Palmyras


D


as Weiterleben oder Verschwin-
den einer Sprache folgte in der
Vormoderne grundsätzlich ganz eige-
ŶeŶ RegelŶ, die ot ŵals ǁeŶig Bezug
zur polii sĐheŶ GesĐhiĐhte hat eŶ. Die
EdžpaŶsioŶ der früheŶ Musliŵe iŵ ϳ. Jh.
etwa, die zugleich ein Eroberungszug
der arabischen Sprache war, wirkte
sich ganz unterschiedlich auf die Spra-
ĐheŶ iŶ deŶ eiŶgeŶoŵŵeŶeŶ Geďie-
teŶ aus: Das Kopi sĐhe hat e als Litur-
gie- uŶd LiteraturspraĐhe iŶ ÄgLJpteŶ
ŵehrere JahrhuŶderte BestaŶd, ǁäh-
reŶd das GrieĐhisĐhe dort uŶd iŶ SLJrieŶ
zǁar kurzzeii g als VerǁaltuŶgsspra-
che beibehalten, dann aber bald vom
Arabischen verdrängt wurde, welches
in beiden Regionen ebenfalls rasch zur
AlltagsspraĐhe aǀaŶĐierte. Iŵ IraŶ hiŶ-
gegen wurde weiterhin Persisch ge-
sprochen, wenngleich dieses fortan
ŵit araďisĐheŶ SĐhrit zeiĐheŶ aufge-

zeiĐhŶet ǁurde. SpraĐheŶ, die siĐh
nicht behaupten konnten, starben für
gewöhnlich einen sehr langsamen Tod,
ot ŵals üďer ŵehrere JahrhuŶderte.
Das SĐhiĐksal des PalŵLJreŶisĐh-Ara-
mäischen, der Sprache der Oasenstadt
iŶ der sLJrisĐheŶ Wüste, Ŷiŵŵt hier-
bei eine Sonderrolle ein – zumindest,
ǁeŶŶ ŵaŶ deŶ BliĐk auf die iŶsĐhrit -
liche Überlieferung richtet, denn an-
dere Sprachzeugnisse haben sich nicht
erhalteŶ.
Iŵ Jahr Ϯϳϯ Ŷ. Chr. zogeŶ röŵisĐhe
SoldateŶ iŶ PalŵLJra eiŶ uŶd zerstörteŶ
die Stadt, off eŶďar derart ŶaĐhhali g,
dass die reiĐhe IŶsĐhrit eŶkultur fast
uŶŵit elďar daŶaĐh ihr EŶde faŶd. Die
dai erteŶ epigraphisĐheŶ )eugŶisse aus
der Stadt setzeŶ iŶ der Mit e des ϭ. Jhs.
ǀ. Chr. eiŶ uŶd eŶdeŶ ŵit zǁei TedžteŶ
aus deŶ JahreŶ Ϯϳκ uŶd Ϯϳε Ŷ. Chr.
SiĐherliĐh dürt eŶ eiŶige ǁeŶige der

ŶiĐht-dai erteŶ IŶsĐhrit eŶ ŶoĐh später
eŶtstaŶdeŶ seiŶ, doĐh für die BürgeriŶ-
ŶeŶ uŶd Bürger PalŵLJras sĐheiŶt ŶaĐh
der )erstöruŶg ǁeder NotǁeŶdigkeit
noch Möglichkeit zur Selbstdarstellung
iŶ EhreŶ- oder GraďiŶsĐhrit eŶ ďestaŶ-
deŶ zu haďeŶ.
Die ǀorausgegaŶgeŶeŶ zǁölf Jahre
waren turbulent gewesen für die rei-
Đhe Stadt iŵ GreŶzgeďiet zǁisĐheŶ deŶ
Imperien des römischen Kaisers und
des persisĐheŶ KöŶigs der KöŶige. Der
palŵLJreŶisĐhe Notaďle Sepi ŵius Odae-
Ŷathus hat e erkaŶŶt, dass die Ŷeu trale
Sonderstellung der Stadt zwischen den
FroŶteŶ iŵ fortǁähreŶdeŶ KoŶfl ikt
zwischen Rom und den Persern nicht
ŵehr aufreĐht zu erhalteŶ ǁar. NaĐh
einem gescheiterten Annäherungsver-
suĐh aŶ die Perser stellte er PalŵLJras
militärische Macht in den Dienst der
Römer, wies einen Usurpator in seine
SĐhraŶkeŶ uŶd ǁurde Ϯςϭ Ŷ. Chr. ǀoŶ
Kaiser GallieŶus zuŵ corrector toi us
Orieni s erŶaŶŶt. Dies ŵaĐhte ihŶ fak-
i sĐh zu desseŶ Stellǀertreter iŵ OsteŶ.
Roŵ uŶd PalŵLJra profi i erteŶ glei-
ĐherŵaßeŶ ǀoŶ der AlliaŶz. DoĐh
seĐhs Jahre später kaŵ es ŶaĐh der Er-
mordung des Odaenathus zum Kon-
fl ikt, als desseŶ Frau )eŶoďia zusaŵ-
men mit dem gemeinsamen Sohn
Vaďallathus die HerrsĐhat üďerŶahŵ.
Sie setzte nicht nur die Eroberungspo-
lii k ihres MaŶŶes iŵ OsteŶ fort, die
ϮϳϬ Ŷ. Chr. etǁa zur EiŶŶahŵe der rö-
ŵisĐheŶ ProǀiŶz ÄgLJpteŶ führte, soŶ-
dern auch dessen gegen die Perser
geriĐhtete Proǀokai oŶ durĐh die AŶ-
Ŷahŵe des GroßköŶigi tels. IŶ der )ǁi-
sĐheŶzeit hat eŶ siĐh jedoĐh iŶ Roŵ die
prekäreŶ VerhältŶisse der ϮςϬer Jahre
unter dem neuen Kaiser Aurelianus
verbessert, und man war nicht mehr
geǁillt, )eŶoďias uŶd Vaďallathus’ zu-

Abb. 1
Grabrelief eines
Priesters aus Pal-
myra mit Büste
des Verstorbenen
sowie der Grab-
inschrift auf Grie-
chisch und Palmy-
renisch; 1.–2. Jh.
n. Chr.; Kalkstein;
Höhe 53 cm,
Breite 43 cm, Tiefe
23 cm; Palmyra
Museum (Inv.
Nr. B. 2687/9088).

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