wachstum werde die Nahrungsproduktion überflügeln
und hunderte Millionen Hungertote zur Folge haben.
Ehrlichs Katastrophenszenario bewahrheitete sich bis
lang nicht. Die Modernisierung der Landwirtschaft
verbesserte bald die Nahrungssicherheit, und in vielen
Teilen der Welt sorgten wirtschaftliche Entwicklung
sowie Zugang zu Bildung und Familienplanung für fal
lende Geburtenraten. Das jährliche Bevölkerungswachs
tum hatte 1970 begonnen, wieder unter den in den
1960er Jahren erreichten Rekordwert von zwei Prozent
zu sinken.
Die Bevölkerung explodiert –
und gleichzeitig schrumpft sie
Doch der Zuwachs gleicht einem fahrenden Zug – selbst
wenn er bremst, behält er enormen Schwung. Obwohl
die globale Wachstumsrate weiter abnimmt, wird sich die
Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten stark
vermehren und nach Schätzungen der Vereinten Natio
nen bis 2050 auf etwa zehn Milliarden anschwellen. Die
Wahr scheinlichkeit, dass der Zug ganz zum Stillstand
kommt – dass die Weltbevölkerung sich vor 2100 stabili
siert oder gar abzunehmen beginnt –, beträgt laut UNO
bloß 23 Prozent.
Doch wenn wir nur auf das große Bild starren, entge
hen uns wichtige Nuancen. Die Hälfte des Bevölkerungs
wachstums bis 2050 wird auf neun Länder entfallen, von
denen fünf in Afrika liegen. In den Industrienationen
sinken unterdessen die Geburtenraten, und die Lebenser
wartung steigt. Weltweit wird sich nach UNOSchät
zungen die Anzahl der über 60Jährigen bis 2050 mehr als
verdoppeln, die der über 80Jährigen sogar verdreifachen.
Viele dieser Menschen werden in Europa leben, wo ein
Drittel der Bevölkerung dann über 60 Jahre alt sein wird.
Jack A. Goldstone, Politologe an der George Mason Uni
versity in Fairfax (USBundesstaat Virginia) und Direktor
des Institute for Public Policy an der Hong Kong University
of Science and Technology, nennt diesen Umbruch »die
neue Bevölkerungsbombe«.
Deutschland und Nigeria stehen für entgegengesetzte
Extreme der globalen Dynamik: einerseits ein reiches, aber
schnell alterndes Land mit schrumpfenden Städten und
anschwellenden Rentenkosten, andererseits eine jugendli
che Nation, in der Kinderreichtum und überfüllte Städte
die durch Klimawandel und Infektionskrankheiten ohnehin
bestehenden Probleme weiter verschärfen. Insbesondere
im Fall Nigerias bezweifelt Hans Groth, Leiter des World
Demographic and Ageing Forum in St. Gallen (Schweiz),
In mehreren afrikanischen Ländern wird die Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten
so rasch zunehmen, dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln problematisch werden
kann. Wenn eine politische Krise hinzukommt, wie gegenwärtig in Südsudan, droht eine
regelrechte Hungersnot.
GETTY IMAGES / FAIRFAX MEDIA / THE SYDNEY MORNING HERALD / EDWINA PICKLES