Spektrum der Wissenschaft Spezial - Biologie Medizin Hirnforschung Nr3 2017

(Ann) #1

Das Verfeuern fossiler Stoffe lässt auch Ruß entstehen:
winzige, unvollständig verbrannte und chemisch träge
Partikel. Indem sie weltweit zu Boden sinken, erzeugen
sie in Sedimenten eine dauerhafte Spur. Besonders deut­
lich sieht man das am Übergang zwischen Kreide­ und
Paläogenschichten (nach alter Benennung: Kreide­ und
Tertiärschichten), der Rückstände verheerender Brände
enthält, ausgelöst von einem gewaltigen Meteoritenein­
schlag. Und die Verbrennung schlägt sich noch auf wei­
tere Weise nieder – da fossile Brennstoffe einen hohen
Gehalt an^12 C­Isotopen aufweisen, verdünnt das massen­
hafte Verfeuern fossilen Kohlenstoffs die^14 C­Menge in
der Atmosphäre. Heute lebende Pflanzen und Tiere enthal­
ten somit relativ wenig^14 C. Sofern sie nach ihrem Tod
zu Fossilien werden, liefern sie über ihre Isotopenzusam­
mensetzung ein klares Indiz für das Anthropozän im
Sediment.


Globale Folgen der Landwirtschaft
Weitere Spuren legt der Mensch mit der Landwirtschaft.
Zwar begannen unsere Vorfahren schon vor etwa 10 000
Jahren mit Ackerbau und Viehzucht, aber erst seit dem
frühen 20. Jahrhundert setzen Landwirte in riesigen Men­
gen Stickstoffdünger ein – ermöglicht durch das Haber­
Bosch ­Verfahren, mit dessen Hilfe sich der Stickstoff aus
der Luft binden und nutzen lässt. Neu ist auch der massive
Gebrauch von Phosphatdüngern. Die Folgen dieser agra­
rischen Innovationen sind heute unübersehbar: Selbst in
abgelegene Gewässer trägt der Wind die Düngemittel ein.
Gelangen diese mit Abwässern in Flüsse und schließlich
ins Meer, regen sie das Algenwachstum an. Es entstehen
große Planktonblüten, die den Sauerstoff im Meerwasser
verbrauchen und hunderttausende Quadratkilometer gro­
ße »Todeszonen« hervorbringen, denen unzählige Meeres­
organismen zum Opfer fallen. Deren Fossilien werden
künftig Zeugnis vom Anthropozän ablegen.


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anthropozaen
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Zu nennen sind ebenso langlebige organische Schad­
stoffe wie Insektizide oder toxische Industriechemikalien
wie Dioxine. Sie verunreinigen inzwischen zahlreiche
Sedimente und dürften, wenigstens teilweise, über geolo­
gische Zeiträume erhalten bleiben. Vergleichbares ist
Paläontologen bereits bekannt: Die langkettigen Kohlen­
stoffverbindungen einiger prähistorischer Algenarten
benutzen Wissenschaftler heute als Marker, um das Klima
vor einigen zehn Millionen Jahren zu rekonstruieren.
Die deutlichsten Rückstände des Anthropozäns sind die
winzigen radioaktiven Partikel, die sich im Zuge zahlreicher
Atombombenexplosionen global verteilt haben. Zwar sind
»nur« zwei Bomben bei kriegerischen Konflikten eingesetzt
worden. Zwischen Mitte der 1940er und Ende der 1990er
Jahre ließen die Atommächte jedoch mehr als 500 Kern­
waffen in Tests detonieren. Die freigesetzten, strahlenden
Teilchen finden sich heute im Boden, im Eis der Polkap­
pen und in Sedimenten am Meeresgrund, und sie werden
von zahllosen Tieren und Pflanzen aufgenommen – ein
bleibender Fingerabdruck unserer Zivilisation.
Immer offensichtlicher wird der Einfluss, den wir auf
die Biosphäre ausüben. Er dürfte sich in den Gesteins­
schichten der Zukunft widerspiegeln: als Übergang von
einer Fossilienvergesellschaftung zu einer neuen. War der
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