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Hillary Rosner ist Wissenschaftsjournalistin
in Boulder (Colorado).
spektrum.de/artikel/1453309
Mediziner, sagte auf der Stelle Ja: Seine gegenwärtigen
Forschungsarbeiten würden erst in den nächsten Jahrhun-
derten Früchte tragen, und das würde er gerne miterleben.
»Außerdem wüsste ich zu gerne, wie die Welt in 10 000 Jah-
ren ist.« Seine 39 Jahre alte Ehefrau, Doktorin der Kunst-
geschichte, antwortete ebenso eindeutig: »Auf gar keinen
Fall. Der Tod gehört zum Leben. Ich will wissen, wie das
Sterben ist.«
Es hätte mich interessiert, ob die Entscheidung seiner
Frau den Mann nachdenklich machte, aber ich ließ das
Thema lieber diplomatisch fallen. Dennoch – die Frage ist
alles andere als esoterisch. Immerhin gehen einige Zu-
kunftsforscher davon aus, dass wir auf eine postbiologi-
sche Welt hinsteuern, in der sich der Tod erledigt hat
oder zumindest unter unserer Kontrolle befindet. Wenn
wir solchen Behauptungen Glauben schenken, werden
früher oder später ungeahnte Entscheidungen auf uns zu-
kommen.
Die ausführlichste Vorstellung einer derartigen trans-
zendenten Zukunft finden wir bei dem Erfinder und Zu-
kunftsforscher Ray Kurzweil, hauptberuflich Leiter der
technischen Entwicklung bei Google. Im Jahr 2005 er-
schien sein Bestseller »The Singularity is Near« (»Mensch-
heit 2.0: Die Singularität naht«), in welchem er voraussag-
te, die künstliche Intelligenz werde bald das gesamte
menschliche Wissen und Können umfassen. Durch techni-
sche Entwicklungen wie Hirnscans in Nanogenauigkeit
werde es letztendlich möglich sein, unsere Intelligenz,
Persönlichkeit und Fähigkeiten schrittweise auf eine nicht-
biologische Ebene zu überführen. Bis dahin würden Milli-
arden von Nanobots in unserem Körper Krankheitskeime
zerstören, Schäden reparieren, Giftstoffe neutralisieren
sowie jede Menge anderer Aktionen durchführen, die
unsere Gesundheit erhalten, mit der Folge, dass wir unbe-
grenzt leben, ohne zu altern.
Obendrein erschaffen die Nanobots eine virtuelle Rea-
lität, indem sie sich in unser Nervensystem einnisten. Wir
werden zunehmend in einer virtuellen Welt leben, die in
allem der herkömmlichen Welt (der »realen Realität«)
gleich ist – nur bunter und ereignisreicher. Auf Grund der
Fortschritte in Genetik, Nanotechnologie und Robotik
sowie allgemein der exponentiell ansteigenden Geschwin-
digkeit des technischen Wandels prognostiziert Kurzweil
für das Jahr 2045 ein Ereignis, das er die Singularität
nennt.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt werde die nichtbiologi-
sche Intelligenz ihr menschliches Gegenstück so weit
übersteigen, dass eine tief greifende und revolutionäre
Auf einer Hochzeitsfeier kam plötzlich das Thema
Unsterblichkeit auf. Ich fragte ein hochakademisches
Pärchen aus San Francisco, Eltern zweier junger
Töchter: »Angenommen, ihr könntet schon morgen euer
Gehirn auf einen Computer hochladen und dann ewig als
Mischwesen aus Mensch und Maschine leben – würdet
ihr das tun?« Der Mann, ein 42-jähriger promovierter
Wenn wir tatsächlich auf eine
postbiologische Welt
hinsteuern, kommen ungeahnte
Entscheidungen auf uns zu
Spektrum SPEZIAL Biologie Medizin Hirnforschung 3.17
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