Der Spiegel - ALE (2022-04-30)

(EriveltonMoraes) #1

WISSEN


100 DER SPIEGELNr. 18 / 30.4.2022


   









. Juni 

. Juni 

. Apr. 

. Apr. 

. Jan.  . Jan.


. Jan.  . Jan.


Häufigkeit von Sars-CoV--Varianten in Deutschland, in Prozent

Bestätigte Coronatote
in Deutschland,
-Tage-Schnitt

Bestätigte neue Coronafälle in Deutschland,
-Tage-Schnitt, in Tausend


















offizieller Impfstart

S◆Quellen: Nature; Our World in Data; RKI, Stand: 28. April









%
Beta Gamma

sonstige Varianten Alpha Delta Omikron

Gegen eine solche
Variante könnte eine
vorherige Immunität
unzuverlässig sein, hohe
Fallzahlen wären die
Folge – die Bedrohung
wäre trotzdem mög-
licherweise gering.

Eine solche Variante
wäre eine große
Bedrohung sowohl für
Ungeimpfte als auch für
Geimpfte und Genesene.
Kontrollmaßnahmen und
Kontaktbeschränkungen
würden notwendig.

Immunität wäre
wirksam, könnte aber
abnehmen. Eine solche
Variante wäre beson-
ders für noch nicht
Geimpfte oder Gene-
sene eine große
Bedrohung.

Eine Variante mit allen
drei stark ausgeprägten
Eigenschaften stellt eine
sehr große Bedrohung dar.

Mit der Omikron-Variante,
die Ende  erstmals in
Südafrika entdeckt wurde,
stecken sich auch Geimpfte
und Genesene an, weil sie
Teilen der Immunantwort
des Körpers ausweicht.

Die Alpha-Variante, die
anfangs B... genannt
wurde, ist deutlich leichter
übertragbar als der
Wildtyp und fing Ende
 an, sich rapide in
Europa auszubreiten.

Die Delta-Variante,
die im Frühjahr  in
Indien und später bei
uns grassierte, führte zu
schwereren Krankheits-
verläufen als der Wildtyp.

Übertragbarkeit

Immunflucht

Schwere der
Erkrankung

bestimmt, wie leicht das
Virus eine Immunantwort
Geimpfter und Genesener
überwinden kann – mit
fortschreitender Pandemie
ein wichtigerer Erfolgsfaktor
für das Virus.

Was neue
Coronavarianten
gefährlich macht

bestimmt, wie schnell
sich das Virus verbreiten
kann. Zu Pandemie-
beginn wichtiger
Erfolgsfaktor, als noch
wenig Immunität
bestand.

ist ein »Nebenprodukt«
der Virusevolution,
das sich zufällig
verändert.

Möglicher Mix von
Eigenschaften bei
Sars-CoV--Mutanten

L


ange Haare, meist zum Zopf gebunden,
gern bunte Hemden, ein Lachen auf den
Lippen – Tulio de Oliveira hat eher die
Aura eines Surfers denn eines Forschers im
Genlabor. Doch jetzt verschlägt es ihm kurz
das Lachen. »Wann die Pandemie vorbei ist,
wollen Sie von mir wissen? Im Ernst?«
Es ist ein Telefongespräch am Mittwoch-
mittag, einem Feiertag in Südafrika, und der
Forscher hat sich bereit erklärt, mit dem
SPIEGEL zu reden. »Na, bald hoffentlich! Ich
hab genug von diesem Virus!« Jetzt muss de
Oliveira doch wieder lachen, er wirkt, als
hätte ihn sein kleiner Ausbruch selbst über-
rascht.
Sars-CoV-2 hat den südafrikanischen Ge-
netiker und Bioinformatiker berühmt ge-
macht, spätestens als er Ende November
2021 der Welt per Live-Video verkündete,
dass eine neue Variante des Virus sich breit-
mache: Omikron. Das Wissenschaftsmagazin
»Nature« ernannte de Oliveira daraufhin zu
einem der »zehn einflussreichsten Menschen
in der Wissenschaft« jenes Jahres.
Tulio de Oliveira leitet an der Universität
von KwaZulu-Natal in Durban eines der größ-
ten Sequenzierlabors Südafrikas. Und nicht
nur er hat genug von diesem Virus.
In Europa ist Frühling, und wer hofft
jetzt nicht auf einen sorgenfreien Sommer?
Und bisher mehrten sich die Zeichen, dass es
wirklich so kommen könnte. »Es gibt gute
Nachrichten zu Covid«, sagte Tedros Ghe-
breyesus, Generaldirektor der Weltgesund-
heitsorganisation, am Dienstag bei einer Pres-
sekonferenz in Genf. »Letzte Woche wurde
die niedrigste Zahl von Covid-19-Todesfällen
seit den frühen Tagen der Pandemie fest-
gestellt.« Auch die EU-Kommission sah
diese Woche das Ende der »akuten« und eine
»neue Phase der Pandemie« heraufziehen,
»indem wir aus dem Notfallmodus in ein trag-
fähigeres Management von Corona überge-
hen«, wie Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen sagte.
Können wir also tatsächlich aufatmen –
oder wird uns das Virus ein weiteres Mal
einen Strich durch die Rechnung machen?
Dass es möglicherweise wieder Anlass zur
Sorge gibt, das musste nun erneut Tulio de
Oliveira der Welt verkünden: In Südafrika
seien zwei neue Subtypen von Omikron ent-
deckt worden, teilte er Anfang April mit:
BA.4 und BA.5. Am Donnerstag veröffent-
lichten die südafrikanischen Forscher dann
erste Erkenntnisse.
Demnach haben die beiden neuartigen
Subtypen in Südafrika rasend schnell ihren
Vorgänger, BA.2, verdrängt, der bisher auch
in Europa die Mehrzahl der Infektionen aus-
macht: Schon finden die Labore die neuen
Omikron-Typen bei mehr als der Hälfte aller
Fälle; sie sind nun dominant.
In ihrem Erbgut tragen sie eine Mutation,
die die Forscher von Delta kennen, der weit-
aus virulenteren Variante, die noch bis vor
Kurzem über den Erdball zog. In Tierver-
suchen hatte sich gezeigt, dass diese Muta-

»Das Virus hat uns noch


jedes Mal überrascht«


PANDEMIE In Südafrika sind neuartige Omikron-Viren aufgetaucht, schon


verbreiten sie sich in Europa. Verderben sie uns den Sommer?

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