Der Spiegel - ALE (2022-04-30)

(EriveltonMoraes) #1
DEUTSCHLAND

Nr. 18 / 30.4.2022DER SPIEGEL 31

kann wegen Formfehlern möglicher-
weise nicht an der Wahl teilnehmen.
So fällt plötzlich auf, dass der Kan-
didat mit dem Politiker Wiktor Med-
wedtschuk seinen 43. Geburtstag ver-
brachte. Krah hat es einst selbst auf
Facebook gepostet. Oligarch Med-
wedtschuk stammt aus der Ukraine,
gilt aber als enger Freund Putins, die
USA und Kanada haben ihn mit Sank-
tionen belegt. Vor drei Wochen wurde
er in Kiew verhaftet. Der ukrai nische
Präsident Wolodymyr Selenskyj bot
Putin den Mann im Austausch gegen
ukrainische Kriegsgefangene an. 2020
hatte Krah den Milliardär mit anderen
AfD-Leuten im Bundestag getroffen.
Man habe über einen Friedensplan für
den Osten der Ukraine gesprochen.
Im November 2021 tauchte Krah
bei Medwedtschuk in Kiew auf. Der
Oligarch befand sich wegen Verdachts
auf Landesverrat in Hausarrest, Krah
sprach auf Facebook von einem »So-
lidaritätsbesuch« bei dem »berühm-
testen politischen Gefangenen des
Landes«. Nebenbei teilte er noch mit,
die Ukraine sei ein »wunderbares
Land, das unter die Räuber gefallen
ist«, womit er wohl ukrainische Oli-
garchen und die amtierende Regie-
rung meinte. Krah sagt, der Mann sei
gewählter Abgeordneter und habe
»Hausarrest für nichts« gehabt.
Krah schreibt auf Facebook auch,
an der »Malaise« in der Ukraine sei
keineswegs Putin schuld, ganz auf
Linie mit offiziellen russischen Stel-
len. Es gibt ein Bild von Krah und
dem Russen Sergej Karaganow, der
als ideologischer Vordenker der rus-
sischen Regierung im Ukrainekrieg

gilt und behauptet, es gebe Befürch-
tungen, dass die Ukraine sich in die
gleiche Richtung wie Hitlerdeutsch-
land entwickle.
Der AfD-Mann traf Karaganow im
Herbst vergangenen Jahres beim Eu-
rasischen Wirtschaftsforum in Verona:
»Wir haben zusammen auf dem Forum
gesessen.« Auf Facebook schrieb Krah
damals, man sei sich »politisch einig«.
Und: »Jetzt haben wir auch persönlich
Freundschaft geschlossen.« Seitdem
hat Krah nach eigenem Bekunden
auch die Handynummer des Russen.
Es gibt auch ein Bild von ihm mit
Oleg Woloschyn, fotografiert 2019
beim Dresdner Opernball in Sankt
Petersburg. Woloschyn war früher
einmal Attaché an der Botschaft der
Ukraine in Moskau. Die USA haben
ihn mit Sanktionen belegt, weil er
im Auftrag der Russen die Ukraine
destabilisiert habe. Für Krah ist Wo-
loschyn »ein angenehmer Mensch«,
für den er sogar eine Geburtstagsrede
auf Russisch vorgetragen habe.
Krah sagt, manche seiner einflussrei-
chen Freunde in Russland habe er im
Businessstudium in London und New
York kennengelernt. Waleriy Doronin
etwa, der als Investment Direktor
beim Russian Direkt Investment Fund
arbeitet. Auch der Fund steht auf den
Sanktionslisten der USA und der EU.
Dazu pflegte Krah enge Kontakte
zu religiösen Eiferern. Bis 2013 diente
er den erzkonservativen Piusbrüdern
als Anwalt, er vertrat zeitweise deren
Bischof Richard Williamson, der den
Holocaust leugnet. Krah tauchte im
März 2019 in Verona bei den religiö-
sen Rechten des World Congress of
Families auf, einem Netzwerk, das
Homosexualität und Abtreibung ver-
teufelt und gegen Geflüchtete hetzt.
Finanziert wurde das Treffen maß-
geblich vom Putin-Freund Wladimir
Jakunin, beteiligt ist auch der russi-
sche Oligarch Konstantin Malofejew.
Krah mag in seinen Kontakten
nichts Verwerfliches erkennen. Er sei
an Osteuropa interessiert. »Ich gehe
mit offenen Augen durch die Welt und
rede mit interessanten Leuten, auch
wenn sie gerade nicht en vogue sind.«
Grundsätzlich sei er »nett und tole-
rant«, sagt der Mann, der 2019 auf
einem AfD-Landesparteitag verkün-
dete: »Wir schießen den Weg frei. Es
gibt nur uns – ansonsten geht alles
den Bach runter.«
Dresden, das Krah künftig regieren
will und wo Putin einst als KGB-
Agent schnüffelte, hat sich indes klar
auf die Seite der Ukraine gestellt. Der
Stadtrat verurteilte den Angriffskrieg
mit großer Mehrheit.

D


er Sachse liebe das Reisen sehr,
heißt es in der inoffiziellen
Landeshymne des Leipziger
Kabarettisten Jürgen Hart. Maximi-
lian Krah liebt es besonders. Gerade
verschickte der sächsische Europa-
abgeordnete auf Twitter ein Bild von
sich aus Washington, Arm in Arm mit
dem berüchtigten ehemaligen Trump-
Berater Steve Bannon.
Maximilian Krah mag auch Hem-
den mit Monogramm, Bälle in aller
Welt und Schampus-Touren rund um
den Globus. Der Kandidat der AfD
für die Wahl des Dresdner Oberbür-
germeisters im Juni schmückt sich
gern mit interessanten internationa-
len Kontakten – offenbar um seine
Weltläufigkeit zu demonstrieren.
Doch diese Freundschaften sind
ein größeres politisches Problem als
bislang bekannt. Denn Krah pflegt
offenbar enge Kontakte zu russischen
Hardlinern, die den Krieg in der Uk-
raine befeuern und mit Sanktionen
belegt sind.
Krah, einst mehr als 20 Jahre lang
Mitglied der CDU, gilt als rechter
Hardliner. In einem Gutachten des
Bundesamts für Verfassungsschutz, in
dem es um die Gefährlichkeit der AfD
für die freiheitlich-demokratische
Grundordnung geht, taucht der Dresd-
ner an vier Stellen auf. Krah sprach
demnach im Zuge der Flüchtlings krise
von »Umvolkung« und »orientalischer
Landnahme«. Alles vorgetragen mit
vollendeten Manieren und einem Lä-
cheln auf den Lippen.
In der Pegida-Hauptstadt Dresden
könnte dieser Mann im Juni womög-
lich Oberbürgermeister werden. Bei
der letzten Wahl 2015 kam die AfD
zwar nur auf 4,8 Prozent. Aber da-
mals hatte sie Konkurrenz von Pegida
und der CDU. Diesmal gibt es keinen
Pegida-Kandidaten, die CDU tritt
nicht selbst an. Und der Favorit, der
liberale Amtsinhaber Dirk Hilbert,

»Wir schießen
den Weg
frei. Es gibt
nur uns –
ansonsten
geht alles den
Bach runter.«

Unter die Räuber


gefallen


WELTANSCHAUUNGEN Der AfD-Rechtsausleger
Maximilian Krah könnte Oberbürgermeister
Dresdens werden. Er pflegte Kontakte zu russi-
schen Hardlinern und religiösen Extremisten.

AfD-Politiker Krah:
Geburtstagstreffen
mit Putins
Oligarchen-Freund

European Union - EP / Isopix / action pressSteffen Winter n
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