Der Spiegel - ALE (2022-04-30)

(EriveltonMoraes) #1

56 DER SPIEGELNr. 18 / 30.4.2022


WIRTSCHAFT


I


m Lebensmitteleinzelhandel bahnen
sich weitere starke Preiserhöhungen
an. Von Anfang Mai an, vermutlich
schon in der kommenden Woche, erwarte
er Preissprünge von 20 bis 25 Prozent
bei Milchprodukten, sagte der Chef einer
großen Molkerei dem SPIEGEL. »Und das
ist erst der Anfang, weitere Preisrunden
werden folgen.« Auch aus der Lebensmit-
telindustrie kommen derlei Signale. Die
bisherigen Preiserhöhungen bildeten viele
Folgen des Ukrainekrieges, etwa gestiegene
Kosten für Energie und Futter, noch nicht
komplett ab, heißt es beim Nahrungsmittel-
multi Nestlé. Die jüngsten Steigerungen
seien schon vor Monaten verhandelt wor-
den, aktuelle Preise ermittele man erst in
diesen Tagen.


Besonders deutlich zeigen sich die Sprün-
ge bei Milchprodukten. Erst vor wenigen
Wochen hatte der Discounter Aldi hier die
Preise für Hunderte Artikel teils deutlich
nach oben geschoben. Andere Handelsketten
folgten. Nun dürfte eine weitere Erhöhung
anstehen. Momentan erhalten konventionell
wirtschaftende Milchbauern mehr als 44 Cent
pro Liter – so viel habe er »noch nie bekom-
men«, sagt Ottmar Ilchmann von derArbeits-
gemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
Hätten solche Preise früher dazu geführt,
dass die Bauern mit optimierter Fütterung
alles aus ihren Kühen rausholten, müssten
viele Landwirte nun trotz der hohen Preise
»an allen Ecken und Enden sparen«, was die
Milchmenge weiter schrumpfen lasse: Nicht
nur Dünger und Diesel seien deutlich teurer

geworden, sondern auch das Kraft futter.
Weitere Preissprünge, so Ilchmann, hätten
auch mit der »Angst des Einzelhandels
vor fehlender Verfügbarkeit« zu tun. Das
Angebot sei knapp, die Nachfrage hoch.
»Wir erleben eine Situation, wie wir sie
40 Jahre lang nicht gesehen haben«, sagt
der Manager eines großen Discounters. Er
pro gnostiziert »radikale Verschiebungen im
Markt« mit mehr Macht für Produzenten –
forciert noch dadurch, dass die Lieferketten
nach Asien wegen Corona nicht mehr
reibungslos funktionierten. Alle Händler
müssten die höheren Endpreise mitgehen,
um leere Regale zu vermeiden. »Wenn
wir nicht erhöhen würden, müssten wir
unter Einstandspreis verkaufen.« Das ist in
Deutschland verboten. SBO, NKL

Milch bald bis zu 25 Prozent teurer


KONSUM Wachsende Kosten für Energie und Futtermittel infolge des Ukrainekriegs werden Nahrungsmittel


auf längere Sicht drastisch verteuern. Vor allem bei Milchprodukten droht ein weiterer Preissprung.


Melkstand
in Schleswig-
Holstein
Philipp Schmidt / DER SPIEGEL
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