Nr. 18 / 30.4.2022DER SPIEGEL 91
SPORT
GUT ZU WISSEN
Was bringen die bunten
Klebebänder auf der Haut?
Noch vor einigen Jahren
waren es vor allem Spitzen-
sportler, die sich die Haut
über Muskeln und Gelenken
mit Kinesiotapes vollklebten.
Mittlerweile sind die bunten
Pflaster auch im Breitensport
nicht mehr wegzudenken.
Fußballer, Tennisspieler – viele
schwören auf die Tapes, die
Schmerzen lindern und Verlet-
zungen vorbeugen sollen.
»Für mich ist dieser Hype nicht
nachvollziehbar«, sagt Yona-
tan Kaplan, Leiter des Jerusa-
lem Sports Medicine Institute.
Er untersuchte zahlreiche
Studien und fasste seine Er-
gebnisse in einer Übersichts-
arbeit zusammen: »Es gibt
keinen wissenschaftlichen Be-
weis, dass Kinesiotapes zur
Vorbeugung von Verletzungen
helfen.«
Dabei versprechen die
Tapes so viel. Sie könnten auf
»Hunderte von Arten« ange-
wendet werden, schreibt die
offizielle Kinesio-Organisation
des Erfinders Kenzo Kase.
Der japanische Chiropraktiker
hat die Tapes in den Siebzi-
gerjahren entwickelt. Sie sollen
dazu führen, dass sich die be-
klebte Haut während der
Bewegung verschiebt. Dadurch
aktiviere der Körper Rezep-
toren, die dann die Muskel-
spannung regulieren und
die Durchblutung fördern sol-
len. Wie eine dauerhafte Mas-
sage. Schmerzen und Ver-
spannungen sollen so gelöst,
Muskeln und Faszien gestützt
werden. Anders als die her-
kömmliche Bandage soll die
Beweglichkeit durch die Bän-
der nicht beeinträchtigt wer-
den. Kaplan, der seit Jahren
zur Verletzungsprävention
forscht, hat seine Zweifel. »Ich
kann diesen Wirkmechanismus
nicht nachvollziehen.«
Der Erfolg beruhe »vor
allem auf sehr gutem Marke-
ting«, glaubt Kaplan. Wenn
Hobbyathleten die beklebten
Körper der Spitzensportler
sehen, animiere das zur Nach-
ahmung. »Außerdem finden
wohl viele die Tapes einfach
sexy«, vermutet Kaplan. An-
ders könne er sich nicht erklä-
ren, weshalb so viele auf die
kostspieligen Streifen setzen.
Die richtige Anbringung der
Bänder wird von vielen Anwen-
dern betrachtet wie eine Art
Wissenschaft, es finden Fortbil-
dungen und Seminare statt.
Zwar gebe es mittlerweile einige
Studien, auserforscht sei das
Thema noch nicht, gibt Kaplan
zu. Manche Forscher verweisen
auf psychologische Effekte. Wer
sich mit ihnen wohler fühle, der
solle das machen. Zumindest
eines könne festgehalten wer-
den, sagt Kaplan: »Kinesiotapes
schaden wohl nicht.« KJO
Talentierten Nachwuchsfußballern bieten sich in Spanien die besten Möglichkeiten, sich in den Spitzenteams durchzusetzen. In Bilbao oder San
Sebastián schafften es 15 beziehungsweise 17 sogenannte Eigengewächse in den Kader der Erstligamannschaften. In Deutschland gaben die
Bundesligateams in Mainz, Freiburg und Köln ihren Junioren die besten Entwicklungsmöglichkeiten. In der englischen Premier League, deren Klubs
am meisten Geld für die Nachwuchsausbildung ausgeben, bekommen Spieler aus den eigenen Reihen nur zwölf Prozent der Einsatzzeit.
Top-drei-Fußballklubs aus den großen Ligen in Europa, die besonders stark auf eigene Nachwuchsspieler* setzen
S◆Quelle:
CIES Football Observatory
Eigengewächse
Foto Huebner / picture alliance
Spieler aus dem
aktuellen Kader von
Real Sociedad San
Sebastián sind
Talente aus dem
eigenen Verein. In
der Bundesliga gibt
es die meisten
Eigengewächse bei
Hertha BSC mit neun
Spielern.
* mindestens drei Jahre
im Juniorenbereich
** Ligaspiele bis 19. April
Robin Zentner,
Torhüter des
FSV Mainz 05
Einsatzzeit selbst ausgebildeter Spieler an der
gesamten Spielzeit der Mannschaft**, in Prozent
selbst ausgebildete
Spieler
Anteil Spielzeit im Liga-
La Liga, Spanien durchschnitt in Prozent
Ligue 1, Frankreich
Bundesliga, Deutschland
Premier League, England
Serie A, Italien
Athletic Bilbao
AS Saint-Étienne
FSV Mainz 05
Manchester United
FC Chelsea
Brighton & Hove Albion
CFC Genua
Spezia Calcio
US Sassuolo Calcio
SC Freiburg
- FC Köln
Real Sociedad San Sebastián
HSC Montpellier
Celta Vigo
Olympique Lyon
55,8
35,6
32,9
27,6
25,4
19,9
23,9
14,8
14,6
31,3
20,5
43,9
34,5
41,2
33,1
15
16
7 7 6 4 3 3
7
7
17
9
11
17
12
12
10
7
8
8
Top-drei-Fußballklubs aus den großen Ligen in Europa, die besonders stark auf eigene Nachwuchsspieler* setzen
Foto Huebner / picture alliance
Robin Zentner,
Torhüter des
FSV Mainz 05
selbst ausgebildete Anteil Spielzeit im Liga-
durchschnitt in Prozent
15
16
17 17
12
12
10
Sportlerin mit Kinesiotapes
Panthermedia / IMAGO