Focus - ALE (2022-04-30)

(EriveltonMoraes) #1
TITEL

Vereint Bei einer
Konferenz auf der
US-Militärbasis
Ramstein am Diens-
tag sagten Vertreter
westlicher Staaten
der Ukraine mehr
Unterstützung zu

Gehemmt Kanzler
Scholz begründet
seine zurückhaltende
Politik auch mit
der Sorge vor einem
Dritten Weltkrieg

Unbequem Eine
Gruppe von Ampel-
politikern um Anton
Hofreiter (2. v. r.)
reiste in die Ukraine
und forderte danach
schwere Waffen

Prozent
der Deutschen
sind laut Insa mit der
Arbeit von Scholz
unzufrieden –
der schlechteste Wert
seit Beginn seiner
Amtszeit

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Fotos: IMAGO/Political-Moments, Clemens Bilan - Pool/Getty Images, twitter/HalynaYanchenko, Public Address

FOCUS 18/2022 31


zustand brauche einen Kanzler, der die
Dinge erklärt. „Scholz verkennt, was er in
dieser historischen Phase leisten müsste,
und wird damit der von ihm selbst aus-
gerufenen Zeitenwende nicht gerecht.“
Wie schwer es Scholz fällt, sich konzi-
liant zu zeigen, offenbarte er kurz nach
Ostern bei einem Termin im Kanzleramt.
Stundenlang hatte er sich mit den engsten
Bündnispartnern in einer Videokonferenz
abgestimmt. Danach sprach Scholz zehn
Minuten. Versicherte, das ukrainische
Militär so zu „ertüchtigen, dass
es sich wehren kann“. Kündigte
Geldzahlungen an, mit denen
die Ukraine direkt Waffen von
deutschen Rüstungsunterneh-
men bestellen kann. Deutsch-
land mache genauso viel wie
seine Verbündeten. „Schauen
Sie sich doch mal um“, raunzte
Scholz einen Reporter an. Die
Botschaft: Was kommt ihr mir
eigentlich alle so blöd?
Dabei stimmte das schon
damals nicht mehr. Andere
Nato-Partner schickten schwe-

re Waffen oder stellten sie zumindest in
Aussicht. Polen und Tschechien haben
laut Beobachtern Dutzende Kampf- und
Schützenpanzer sowjetischer Bauart
geliefert. Die Slowakei gab ihr einziges
Luftabwehrsystem an das Nachbarland.
Die USA, Frankreich und selbst das klei-
ne Estland stellen Artilleriegeschütze.
Warum dachte der Kanzler, mit brüsker
Abwehr die Kritiker verstummen zu las-
sen? Aus Unvermögen? Trotz? Hybris?
Sicher, es ist nicht so, als habe Berlin
seit Kriegsbeginn nichts getan. 900 Pan-
zerfäuste, 1000 Panzer-
abwehrminen, 100 Ma-
schinengewehre, mehr
als 16 Millionen Schuss
Munition, 500 tragbare
„Stinger“-Flugabwehr-
raketen, über 2000 Bo-
den-Luft-Raketen des
Typs „Strela 2“ und
100 000 Handgranaten.
Das ist nun wahrlich
nicht nichts.

Die Bundesregierung
redet sich raus
Auf Unverständnis und
Misstrauen stieß in den
vergangenen Wochen
vor allem die Weige-
rung der Bundesregie-
rung, der Ukraine noch schwereres Gerät
zu liefern. Die Gründe dafür variierten im
Wochentakt. Erst hieß es, die Bundeswehr
könne kein Material mehr entbehren,
ohne die eigene Verteidigungsfähigkeit
zu gefährden. Dann blockierte man auch
direkte Waffenexporte der Industrie und
es hieß: Die Ausbildung! Die Logistik!
Die Wartung! Und schließlich führte der
Kanzler für seine Verhältnisse geradezu
wortreich aus, dass bei einem falschen
Schritt Putin zu Nuklearwaffen greifen
könnte – und beschwieg beredt
die Frage: Herr Bundeskanzler,
Haben Sie belastbare Hinweise
darauf, dass Panzerlieferungen
zum Atomkrieg führen?
Scholz schwieg. Opposition
und das Ausland kochten.
Es gibt diese Tage in Berlin, da
lässt die politische Anspannung
die Luft vibrieren. Man spürt in
den Straßen des Regierungs-
viertels, wie mit jeder Minute,
jedem Hintergrundgespräch
und jedem Interview der Druck
auf die Verantwortlichen
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