Focus - ALE (2022-04-30)

(EriveltonMoraes) #1

POLITIK


Quelle: IfW Kiel

32 FOCUS 18/2022


Militärhilfe für die Ukraine in Prozent des BIP
(24.2. bis 27.3.)

Militärhilfe für die Ukraine
in Mio. Euro
(24.2. bis 27.3.)

Deutschland

Italien

Frankreich

Großbritannien

Kroatien

Tschechien

USA

Schweden

Slowakei

Litauen

Polen

Estland

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8

4400

48

55

59

88

119

126

150

204

220

USA

0,79

0,014

Slowakei

Polen

Tschechien

Kanada

Deutschland

Schweden

Italien

Großbritannien

Estland

steigt. Erst wispernd, dann bohrend, don-
nernd, rasend, bis ...
... zum Befreiungsschlag. In diesem Fall
erfolgte das überfällige Manöver des Olaf
Scholz am vergangenen Dienstag. Nicht
in Berlin, sondern in Ramstein. Nicht
durch den Kanzler, sondern durch die
Verteidigungsministerin. Bei der Ukraine-
Konferenz auf dem US-Luftwaffenstütz-
punkt verkündet Christine Lambrecht die
Lieferung von 50 gebrauchten Gepard-
Flakpanzern. Ist das nun viel? Oder viel zu
wenig? Oder gerade genug, um Vertrauen
zurückzugewinnen?
Für die einen ist Scholz nun ein Ge -
triebener, der sich dem Druck beugen
musste. Für die anderen bleibt er einer,
der souverän und kühl abwägt und erst
dann handelt. Laut Umfragen findet die
Mehrheit der Deutschen das Zögern ihres
Kanzlers richtig. Fast zwei Drittel sagen
nach aktuellen Zahlen des Meinungsfor-
schungsinstituts Forsa, dass sie ein eher
zurückhaltendes Vorgehen unterstützen.
Nur 26 Prozent wünschen sich eine härte-
re Haltung der Bundesregierung. 56 Pro-
zent teilen die Befürchtung, dass sich der
Krieg auch auf andere Länder in Europa
ausweiten könnte, wenn weitere Waffen
an die Ukraine geliefert werden.
Drei politische Schwergewichte, die
das gänzlich anders sehen, sind die FDP-
Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zim-
mermann, der Grüne Toni Hofreiter und
der SPD-Abgeordnete Michael Roth. Ge-
meinsam waren sie in die Westukraine
gereist – und seit ihrer Rückkehr sind die
drei on fire.
Vergangenen Samstag stand Strack-
Zimmermann auf der Parteitagsbühne
ihrer FDP und schwor die Parteifreunde
darauf ein, dass es um alles gehe und die
Ukraine sofort schweres Gerät brauche.
Die Delegierten erhoben sich und klatsch-
ten minutenlang. Tags darauf veröffent-
licht das ZDF ein brisantes Interview der
FDP-Frau: „Wir haben zu führen, nicht nur
wirtschaftlich, sondern auch militärisch“,
sagte Strack-Zimmermann. „Und für die,
die diese Rolle nicht annehmen wollen,
sage ich, dann sitzen sie möglicherweise
im falschen Moment am falschen Platz.“
Manche verstanden das als indirekte
Rücktrittsaufforderung an den Kanzler,


auch wenn die Düsseldorferin das demen-
tierte. Doch allein der Verdacht vergiftete
das Klima in der Koalition.

Die Kritiker machen weiter Druck
Was will der Kanzler, fragt sich Strack-
Zimmermann regelmäßig und findet kei-
ne Antwort. Für einige Sozialdemokraten
sei das Verhalten von Wladimir Putin ein
„persönlicher Albtraum“, denn „ihre Vor-
stellungen von Appeasement-Politik und
emotionaler Nähe zu Russland werden
durch den brutalen Angriff Russlands
auf die Ukraine ad absurdum geführt“.
Strack-Zimmermann nimmt Scholz in die
Pflicht: „Da wünschte ich mir, dass der
Kanzler diese innere Zerrissenheit kom-
pensiert.“ Oder anders formuliert: Scholz
soll die SPD unter Kontrolle kriegen.
Auch bei den Grünen ist der Unmut
über Scholz groß. Der langjährige Frak-
tionschef Hofreiter ist zum Sprachrohr
derjenigen geworden, die allmählich die
Geduld mit dem Zauder-Kanzler verlieren.

In einem Interview sagte Hofreiter kürz-
lich: „Das Problem ist im Kanzleramt.“
Und auch nach der Gepard-Entscheidung
macht er weiter Druck: „Ich hoffe, dass
Rheinmetall schnell die Genehmigung
zur Lieferung auch der Leopard-Panzer
an die Ukraine bekommt.“
Wie groß der koalitionsinterne Wider-
stand um das Trio infernale wirklich ist,
vermag niemand zu sagen. Sind sie Ein-
zelkämpfer mit Hang zum dramatischen
Auftritt? Oder Klassensprecher mit Mut
zur unangenehmen Wahrheit? Eines ist
in diesen Tagen des steigenden Drucks
deutlich geworden: Die Roten, Grünen
und Gelben kennen sich noch nicht all-
zu gut. Aus drei Abweichlern könnten
30 werden. Aus lauten FDPlern Abtrün-
nige. Aus linken Jusos Verweigerer des
Regierungskurses. Koalition und Kanzler
stehen auf schwankendem Boden.
Es gibt Situationen, da passen die
Rhythmen von politischem Betrieb und
Weltenlauf nicht zusammen. Hier: das
Durchdenken, Diskutieren, Abwägen,
Mehrheitenorganisieren, Entscheiden und
schließlich, endlich, irgendwann ... Um-
setzen. Dort: Überfall, Bomben, Massaker,
Morden, Tag und Nacht.
Vor allem die SPD leidet weiter an ihrer
ungeklärten Geschichte mit Russland.
Nicht wenige fragen sich noch immer:
Lagen wir in allem so falsch? Müssen wir
unsere Ostpolitik für immer verdammen?
Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner sagt:

Mit seiner Sprachlosigkeit


gefährdet Scholz den


Frieden in der Koalition


Wer unterstützt die Ukraine?


Luft nach oben
Gemessen an der Wirtschafts­
kraft lag Deutschland bei der
Rüstungshilfe nach Kriegs­
ausbruch auf Rang 12 unter
30 Ländern. Die Bundes­
regierung hat nun zusätzliche
Hilfen in Höhe von mehr als einer
Milliarde Euro angekündigt, die
noch nicht eingerechnet sind

Big Spender
Die USA sind bei
Waffen und Rüstung
mit Abstand der
größte Unterstützer
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