WIRTSCHAFT
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ie das Rotlicht zur
Reeperbahn gehört,
so gehören die Autos
zum Nedderfeld: die
Hamburger Kfz-Mei-
le. Hier flattern die
Fahnen fast jeder
Automarke der Welt im kalten Wind. Hin-
ter den großen Fensterfronten Dutzender
Verkaufshallen stehen unzählige Autos
in jeder Farbe und in jedem Zustand. Da
passt der knallrote Zweckbau von Rei-
fen Helm genau ins Bild: Im Erdgeschoss
schrauben Mechaniker an alten Porsches
und anderen Wagen. Es riecht nach
Benzin, PS und alten Sitzbezügen.
Oben in der Büro-Etage sitzt der Chef
Sascha Kemper. Seit Jahrzehnten verkauft
er Reifen. Ein Geschäft, das sich in den
vergangenen Jahren verändert
hat. Inzwischen macht er auch
alte Reifen wieder fit. „Rund -
erneuert“ heißt das in der Fach-
sprache. „Damit kann man die
Lebensdauer von abgefahrenen
Lkw-Reifen von zwei auf acht
Jahre vervierfachen“, sagt Kem-
per. „Das ist eine der ältesten
Kreislaufwirtschaften der Welt.“
Denn Lkw-Reifen nutzen sich
schnell ab. In der Regel kann
man sie nach zwei Jahren wegschmeißen
- oder ihnen eine neue Lauffläche geben.
Genau das macht die Firma Bandag, eine
von Kemper geleitete Reifen-Helm-Toch-
ter. Dabei wird zunächst die „Karkasse“,
der stahldurchsetzte Reifenunterbau, auf
Schäden durchleuchtet, dann das restliche
Profil abgerauht, Schäden werden aus-
gebessert und eine neue Lauffläche auf-
getragen. Weil in der Karkasse der Groß-
teil an Energie steckt, lohnt sich das: bis
zu 70 Prozent weniger Rohöl, 30 Prozent
weniger CO 2 -Emissionen und 14 Kilo
Stahl. „Damit erfüllt der Reifen die Stan-
dards eines Neureifens“, sagt Kemper.
Recyclingprodukte liegen im Trend
Das Einsparpotenzial ist enorm. Kleine
Transportfirmen wie auch Großunter-
nehmen, etwa die Hamburger Verkehrs-
betriebe, nutzen das System. Auch fast
jedes Flugzeug fährt auf solchen Reifen.
Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft hat
nicht nur den Kfz-Sektor, sondern fast jede
Branche inzwischen erfasst. Ob Shampoo-
flaschen aus Recyclingplastik, Bademo-
de aus recyceltem Nylon oder Möbel aus
wiederverwendetem Holz – Recycling-
produkte sind im Trend. Die Ellen-Mac-
Recycelte Shampooflaschen, Zaunpfähle aus Plastikmüll
oder neu aufgelegte Autoreifen: Die Kreislaufwirtschaft
verändert Industrie und Konsum. Doch ist das wirklich grün?
Die Wiederauferstehung
TEXT VON CAROLIN WAHNBAECK
Viele Teile Im BMW-
Recyclingcenter werden
die Autos zerlegt,
bevor sie neu verwendet
werden. Aktuell bestehen
30 Prozent aller neuen
BMW aus recyceltem
Material