Focus - ALE (2022-04-30)

(EriveltonMoraes) #1

WISSEN


Illustrationen von Birgit Lange

66 FOCUS 18/2022


ZERRUNG


Fast jeder Sportler kennt das Gefühl: Inner-
halb weniger Schritte spürt man im Ober-
schenkel oder in der Wade ein rasch einset-
zendes Ziehen, eine zunehmende Spannung
oder einen krampfartigen Schmerz. Eine
weitere Belastung des Muskels sollte unter-
bleiben, da sonst ein Muskelfaserriss droht.
Symptome und Ursachen
Die Regulierung der Muskelspannung ent-
gleist, ausgehend von sogenannten Proprio-
zeptoren. Sie geben Fehlmeldungen zu den
Umschaltstationen auf Rückenmarksebene.
Im Gegensatz zum Faserriss liegt kein Gewe-
beschaden vor. Es gibt auch keine Blutung und
kein punktförmiges Schmerzzentrum. Spon-
tan will der Sportler meist nicht aufhören und
versucht zunächst zu dehnen und weiterzu-
machen. Er will die erhöhte Muskelspannung


Hier gibt Hans-Wilhelm


Müller-Wohlfahrt Tipps zur


Behandlung von sieben


häufigen Blessuren


Das rät


der „Doc“


lösen, indem er das betroffene Bein ausschüt-
telt. Doch das gelingt leider nicht. Je länger
der gezerrte Muskel weiter belastet wird, desto
ausgeprägter wird die Problematik.
In den meisten Fällen ist mangelhafte Er-
wärmung und Dehnung der Grund für eine Zer-
rung. Alle zu erwartenden Belastungsspitzen
der jeweiligen Sportart müssen beim Warm-
up simuliert werden! (Tipp: Sobald sich erste
Schweißtropfen bilden, Trainingsbekleidung
oder Regenjacke ausziehen und mit Wett-
kampfkleidung weitermachen, da sonst für
Haut und Muskeln zu große Temperaturunter-
schiede entstehen.)
Erstversorgung
Das Wichtigste bei der Behandlung ist die Ent-
spannung des Muskels – die Detonisierung.
Die verletzte Region sollte zunächst
20 Minuten lang mit einem von Eis-
wasser gekühlten Druckverband
umwickelt werden. Den Verband
immer wieder mit Eiswasser
nässen. Keinesfalls darf mit
Wärme oder wärmenden
Salben behandelt werden!
Meist sind die Beschwer-
den danach deutlich
gemindert, da die Kälte
spannungslösend wirkt.
Haben die Beschwerden
nicht nachgelassen oder
gar zugenommen, muss an
die Diagnose Faserriss
gedacht werden.
Nach dem Eiswasser-
Druckverband empfehle ich
vorsichtige Dehnübungen im
schmerzfreien Bereich. Den betrof-
fenen Muskel sieben bis zehn Sekun-
den dehnen, dann entspannen und wieder
dehnen. Die Übungen sollten 10- bis 15-mal
wiederholt werden. Keine schmerzstillenden
Mittel verwenden. Bei Muskelverletzungen
benötigt man die unverfälschte Wahrnehm-
barkeit, um zu wissen, wie der Heilungsprozess
fortschreitet. Empfehlenswert ist die Einnah-
me von Vitamin E und von Magnesium.
Nachversorgung
In den Tagen nach der Verletzung empfehle ich
weitere achtsame Dehnübungen und Bewe-
gungstraining auf dem Fahrrad-Ergometer im
schmerzfreien Bereich (maximal 20 Minuten),
um die Durchblutung zu fördern und den
Stoffwechsel zu aktivieren. Danach leichtes
Lauftraining versuchen. Keine Schnellkraft-
bewegungen vornehmen! Der Muskel muss
neu motiviert und geschult werden. Anschlie-
ßend wieder eisgekühlte Umschläge. Bei ent-
sprechender Therapie kann der Sportler nach
drei bis vier Tagen wieder voll belasten.

TENNISARM
Sportler kennen die häufigste Verletzung
am Ellenbogen meist nur unter dem Begriff
Tennisarm. Eigentlich müsste die oft sehr
schmerzhafte Blessur jedoch Tennis-Ellen-
bogen heißen.
Symptome und Ursachen
Es handelt sich um einen Reizzustand im
Ursprungsbereich der Unterarm-Strecksehnen
an der Ellenbogen-Außenseite – dort, wo die
Sehnen am Knochen verankert sind. Im akuten
Zustand ist an sportliche Betätigung nicht
mehr zu denken. Selbst das Heben einer Kaf-
feetasse oder ein leichter Händedruck kann
schmerzen. Bei rechtzeitiger und richtiger
Behandlung sind derartige Verletzungen gut
und relativ schnell in den Griff zu bekommen.
Ist der Tennis-Ellenbogen aber einmal chro-
nisch, kann der Heilungsablauf langwierig sein.
Der Schmerz kann plötzlich auftreten –
etwa nach einem harten Match, nach unge-
wohnter, einseitiger Belastung, wie etwa nach
Schraubbewegungen, oder aber er entwickelt
sich allmählich. Auch nach Hausarbeiten wie
dem Bügeln oder nach stundenlanger Arbeit
am Computer zeigen sich die Symptome. Ein
einfacher Test gibt Aufschluss: die Hand flach
auf den Tisch legen (Handrücken nach oben)
und versuchen, den Zeigefinger und/oder
Mittelfinger gegen den Widerstand zu heben.
Schmerzen auf der Ellenbogen-Außenseite
deuten auf einen Tennisarm hin.
Erstversorgung
Ruhe und Schonung, und zwar in allen
Lebensbereichen. Bis zum spürbaren Abklin-
gen der Schmerzen empfehle ich mehrfache
eisgekühlte oder Arnikatinktur-Verbände.
Alternative: ein handwarmes Armbad mit
Rheumabad-Zusatz (circa 10 bis 15 Minuten),
dann die schmerzhafte Region mit Trauma-
salbe einreiben.
Wenn die akuten Beschwerden nicht ernst
genommen werden, können die Schmerzen
über Wochen und Monate andauern. Neben
einer gezielten Therapie beim Physiothera-
peuten helfen dann meist feuchte Wärme-
behandlungen: ein feuchtes Handtuch über
den Ellenbogen legen, mit einer Haushaltsfolie
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