Focus - ALE (2022-04-30)

(EriveltonMoraes) #1
Fotos:

Richard Soberka/ddp, George Bozouris/Marketing Greece

96 FOCUS 18/2022

den Urlauber mit schmalerem Geldbeutel
(noch) günstige und hervorragend bewer-
tete Alternativen für ein Hundertstel die-
ses Preises. Sogar in einem internationa-
len touristischen Hotspot wie Santorin
sind noch gute Doppelzimmer zwischen
50 und 60 Euro die Nacht zu haben.
Philip Böhm-Duchez von der Reiseplatt-
form Evaneos, die sich auf Individualreisen
mit Geheimtipp-Garantie spezialisiert hat,
warnt dennoch vor regionaler Überlas-
tung: „Schon im Januar war abzusehen,
dass die Buchungslage im Sommer extrem
angespannt sein wird.“ Bei Mietwagen
und Unterkünften in den Monaten Juli
und August könnte es an den einschlägi-
gen Touristen-Orten knapp werden. Der

Z


eus, der irgendwie
sympathische Ober-
Göttervater der grie-
chischen Mythologie,
kannte sein Land ge-
nau. Er wusste, wo es
sich in Griechenland
am besten aushalten
lässt. An den Stränden von Mykonos? Schon
schön. In den schmalen Gassen von San-
torin? Zauberhaft. In den weiten Oliven-
hainen Korfus? Selbstredend. Aber Zeus
residierte mit seinen Freunden Athene,
Aphrodite, Poseidon sowie acht weite-
ren Götter-Kumpanen trotzdem lieber
auf dem 2918 Meter hohen Olymp, dem
höchsten Gipfel Griechenlands.
Das mag am würzigen Duft der Heil-
kräuter liegen, die hier wachsen, an den
lieblich plätschernden Bächen, dem fri-
schen Klima oder der unerwarteten Top-
of-the-World-Aussicht von einem der vier
Gipfel bis zur Küste der Ägäis. Heute ist
die Region rund 70 Kilometer südwestlich
von Thessaloniki ein riesiger Nationalpark
mit Riverrafting, Bike-Trails sowie Jeep-
Safaris (die Zeus wohl eher erzürnt hät-
ten). Bis zu 150 000 Gäste besuchen den
kaum bekannten Nationalpark Olymp pro
Jahr – ein Klacks im Vergleich zu mehre-
ren Millionen, die in Athen alljährlich die
Ruinen der Akropolis bestaunen.

Glaubt man Touristikern, dann steht
Berg- und Wanderreisen in Griechenland
aus guten Gründen eine große Zukunft
bevor. Aber nicht nur die Wanderer und
Bergsteiger folgen dem Ruf des Zeus:
Allein TUI als deutscher Marktführer in
Griechenland erwartet konzernweit rund
drei Millionen Urlauber in dieser Saison,
also mehr Gäste als vor der Pandemie –
da waren es 2,8 Millionen.
Die Destination profitiert dabei nicht
nur von der eigenen Schönheit, sondern
auch von den Schwächen der Mitbe-
werber: Spanien und Italien gelten im
Vergleich als überlaufen und teuer, die
benachbarte Türkei leidet an einer Wirt-
schaftskrise und erheblichem Sympathie-
Verlust nach willkürlichen Festnahmen
und Verurteilungen.
„Aufgrund der guten Nachfrage haben
wir den Saisonstart für die griechischen
Inseln in diesem Jahr um vier Wochen
vorgezogen“, sagt Stefan Baumert, Chef
von TUI Deutschland. Insgesamt steuert
der Reise-Riese aus Hannover nun 24
griechische Regionen auf dem Festland
und den Inseln an. Die Lieblingsziele

LEBEN

sind Kreta, gefolgt von Rhodos, Kos, Korfu
und dem Westpeloponnes. Auch Alltours
ergänzt sein Griechenland-Programm um
Thessalien mit der Hafenstadt Volos und
neuen Ferienorten im Landesinneren.
Zudem wurde das Portfolio um etliche
neue Hotels auf Kreta, Rhodos, Kos, Korfu,
Zakynthos und Samos ausgebaut.
Die angebotenen Betten füllen sich
jedoch nicht von alleine, dafür müssen
die Urlauber erst einmal anreisen. Und
hier kommen die nächsten Hellas-Opti-
misten ins Spiel: die Airlines.
Die Condor erweitert durch eine Koope-
ration mit der griechischen Airline Sky Ex-
press ihr Streckennetz und steuert nun 17
Ziele direkt ab diversen deutsche Airports
an, darunter auch unbekanntere wie Volos,
Zakynthos, Kavala/Thassos oder Kefalo-
nia. Die Lufthansa-Tochter Eurowings will
von April bis Oktober rund 10 000 Flüge zu
16 griechischen Zielen absolvieren. Auch
die türkische Corendon Airlines verstärkt
diesen Sommer ab Deutschland das Ange-
bot für Direktverbindungen nach und ab
Hellas. Und Easyjet versorgte sich erst
kürzlich mit zusätzlichen Start- und Lan-
derechten und könnte so 2022 zum größ-
ten Anbieter Europas für Verbindungen
nach Griechenland aufsteigen.
„Die Reisebereitschaft ist definitiv viel
höher als im schlechten letzten und im

katastrophalen vorletzten Jahr“, sagt Lys-
sandros Tsilidis, Präsident der heimischen
Reiseagenturen. Er fürchtet schon Eng-
pässe, die es verhindern könnten, dass die
griechische Tourismus-Branche das Top-
Jahr 2019 übertrifft: „Dafür bräuchten
wir eigentlich höhere Hotelkapazitäten.“
Nach Reiseverboten und Kontaktbe-
schränkungen ist die Sehnsucht nach
unbeschwertem Urlaub riesig, und der
Buchungsanstieg folgt nun dem Prinzip
Ketchupflasche: Erst kommt lange nichts,
dann alles auf einmal. Zumindest bei den
Flügen dürfte es aber keine Probleme
geben: Von Mai bis Juli sind noch Tickets
um 70 Euro ab Deutschland zu verschie-
denen Flughäfen in Griechenland auf-
zutreiben.
Und bei den Unterkünften gab es schon
immer das Phänomen der „doppelten
griechischen Übertreibung“: Günstige
sind überdurchschnittlich billig, noble
überdurchschnittlich kostspielig. Aber
niemand ist ja verpflichtet, im August im
Luxus-Resort „Domes of Elounda“ auf
Kreta eine Suite für 4200 Euro die Nacht
zu beziehen. Selbst in der Hochsaison fin-

In den Höhlen
von Matala auf
Kreta feierten
einst Hippies –
auch heute
trifft man sich
hier auf ein
Glas Wein

Versteckt
liegt der Rovinia
Beach auf Korfu,
gut erreichbar
per Wassertaxi
ab Gefyra

Die Sehnsucht nach unbeschwertem Urlaub ist riesig

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