118 DER SPIEGELNr. 19 / 7.5.2022
PERSONALIEN
Netrebkos
Nachfolgerin
Vielen Kennern der Opernszene
ist die Ukrainerin Liudmyla
Monastyrska, 46, ein Begriff,
nun dürfte sie eine Berühmtheit
werden. Immerhin bat die le-
gendäre Metropolitan Opera in
New York die Sopranistin, Anna
Netrebko zu ersetzen. Dieser
Weltstar musste wegen seiner
politischen Nähe zum russi-
schen Präsidenten Putin gehen.
Monastyrska zögerte, sagte
doch zu, und so konnte am ver-
gangenen Samstag wie geplant
Giacomo Puccinis »Turandot«
gegeben werden, mit ihr als
gleichnamiger Prinzessin. Sie
habe das Haus zum Beben ge-
bracht, schwärmten ihre Auf-
traggeber dann öffentlich und
schienen stolz darauf zu sein,
dass ihre Ersatzsängerin sich am
Ende der Vorstellung in eine
ukrainische Flagge gehüllt hatte.
In einem Interview hatte die
Sängerin vorab gesagt, ihre
nahen Angehörigen befänden
sich noch in der Ukraine, sie
denke jede Sekunde an sie. Auf
der Instagram-Seite des Opern-
hauses wurden Zehntausende
Kommentare zu ihrem Auftritt
gepostet, es gab Gratulationen
und ebenso Kritik. Netrebko
sei »viel, viel besser«, schrieb
ein anonymer Nutzer, sie
auszu laden, sei eine »dumme
politische Entscheidung« ge-
wesen. UK
Vorteil für Blair
Wenn Ansprüche sinken, kann
das von Vorteil sein. Tony Blair,
69, ehemaliger britischer Pre-
mierminister, spürt das gerade.
Denn die Erwartungen an
einen Elder Statesman sind der-
zeit niedrig. Danke, Gerhard
Schröder. Den Tiefpunkt mar-
kiert ein Interview, das Schrö-
der der »New York Times« ge-
geben hatte, unter Einfluss von
Weißwein und in Bezug auf Pu-
tin noch realitätsferner, als man
es befürchtet hatte. Mit Blair
führte die »New York Times«
nun sogar ein Gespräch vor Ka-
meras. Und obwohl sein Ruf
wegen diverser fragwürdiger
Entscheidungen in seiner Amts-
zeit auch nicht der allerbeste ist,
so wird man doch neidisch,
wenn man sieht, dass andere
Länder einen Ex-Regierungs-
chef haben, der konzise, schlüs-
sige, uneitle Sätze sagt und
nachvollziehbare Analysen ab-
gibt. Er sagte auch: »Ich habe
schon zwei Inkarnationen von
Putin kennengelernt. Jetzt habe
ich Angst, dass wir die dritte er-
leben.« Er meinte die Entwick-
lung vom Nationalisten zum
Realitätsverweigerer.
Auch damit hat er sich nicht
blamiert und vor allem aus
deutscher Perspektive so ge-
sehen schon gewonnen. XVC
Lila Barth / NYT / Redux / laif
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