Der Spiegel - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1
DEUTSCHLAND

dererseits registriert auch der Liberale
die Nöte, die Krieg und Pandemie für
die Bevölkerung bringen. Deshalb stell-
te er ohne langes Zögern mehr als 30
Milliarden Euro für die beiden Entlas-
tungspakete zur Verfügung. Auch ihn
treibt die Furcht vor den Gelbwesten.
Darin ist der FDP-Chef sich bemer-
kenswert einig mit dem Kanzler. Die
Sorge ließ Scholz zögern, die Gaspipe-
line Nord Stream 2 früh zu stoppen. Sie
war auch eines der Argumente gegen
einen sofortigen Totalboykott russi-
scher Energie. Das Wort »Gelbwesten«
fiel nicht nur einmal im Kanzleramt.
Im Wahlkampf warb Scholz mit
dem Schlagwort »Respekt«. In einem
Thesenpapier schrieb Scholz 2017, der
Fortschritt, der mit Globalisierung und
Digitalisierung verbunden sei, müsse
für alle Bürgerinnen und Bürger spür-
bar sein. Plötzlich aber gibt es nicht
mehr nur Globalisierungsgewinne zu
verteilen, sondern Mangel und Lasten.
Die Koalitionspartner sind verblüf-
fend nah beieinander in ihrer Analyse
der Lage und in ihrer Angst vor der
sozialen Spaltung. Das bedeutet je-
doch nicht, dass Einigkeit bestünde,
wer zu be- oder entlasten wäre, aus
welchem Topf und mit welchem Ziel.
Christian Lindner sorgt sich um
Wähler wie den Kotelett grillenden

David Böcking, Florian Diekmann,
Martin Knobbe, Timo Lehmann,
Laura Meyer, Jonas Schaible,
Gerald Traufetter, Mascha Wolf n

7, 4
Prozent

dürfte die
Inflationsrate
nach vorläu­
figen Daten im
April betragen
haben.
Quelle: Destatis

Brummifahrer, der sich wegen stei-
gender Benzinpreise im Stich gelassen
fühlen könnte. Deshalb brachte er vor
Wochen den Tankrabatt ins Ge-
spräch, eine teure Maßnahme, die
nicht unbedingt den Ärmsten hilft,
aber womöglich einen symbolischen
Beitrag zur Entschärfung der Debat-
te geleistet hätte. Nur, wo bleiben
diejenigen, die Hilfe am nötigsten ha-
ben? Und was ist mit der ökologi-
schen Transformation?
Für den Grünen Andreas Au-
dretsch steht außer Frage, dass mehr
Geld fließen muss, und zwar vor al-
lem an die Ärmsten und die untere
Mittelschicht. »Es gibt jetzt drei Mög-
lichkeiten zu reagieren«, sagt er. »Wir
könnten Geld mit der Gießkanne an
alle verteilen, dann geht es uns aber
sehr schnell aus. Wir können weiter
gezielt, aber sehr kompliziert auf al-
len möglichen Wegen Hilfen vertei-
len. Das ist kurzfristig richtig, aber
mittelfristig zu fehleranfällig.« Option
Nummer drei: »Wir müssen ein Inst-
rument schaffen, um Geld unabhän-
gig von Sozialleistungen direkt an
Menschen auszahlen zu können.«
Die Grünen wollten so etwas
schon einmal im Wahlkampf, um die
Einnahmen aus dem CO 2 -Preis zu-
rückzugeben. Das Problem ist: Sie

können immer noch nicht genau er-
klären, wie das gehen soll.
In Scholz’ Umfeld ahnt man, dass
die derzeitigen Belastungen nur die
Vorboten von größeren, systemischen
Umbrüchen sind. Der Erfolg der deut-
schen Wirtschaft ruhte bislang auf
zwei Säulen: dem Export hochwerti-
ger Wirtschaftsgüter nach China und
der Einfuhr billiger Energie aus Russ-
land. Beide geraten nun unter Druck.
Plötzlich muss Scholz sein Verspre-
chen von Respekt schneller einlösen
als gedacht, während er gleich zwei
Transformationen zu bewerkstelligen
hat, die weg von Russland und die hin
zur Klimaneutralität. Die Bedingun-
gen sind widriger als befürchtet. Sie
könnten den Kanzler lähmen.
Scholz reagiert auf die Lage fürs
Erste wie immer, mit Zurückhaltung
und der Beteuerung, alles im Griff zu
haben. Nach der Kabinettsklausur
diese Woche sagte er: »Jetzt sind wir
erst mal dabei, diese beiden so weit-
reichenden Pakete auch effektiv wer-
den zu lassen, indem die Gesetz-
gebung abgeschlossen wird.« Pläne
für ein neues Paket gebe es nicht.

Foto: Joris Lugtigheid


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