Der Spiegel - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1

DEUTSCHLAND


42 DER SPIEGELNr. 19 / 7.5.2022


reduziert. Bashkim Osmani kam als
»Erstverbüßer« nach einer Zeit in
Haft in den offenen Vollzug. In Ham-
burg sah man ihn nach seiner Ent-
lassung immer seltener. Es zog ihn in
den Süden Europas.
Eine Landstraße in Galicien an
einem Abend Mitte März. Emilio
Rodríguez Ramos, 55, sitzt auf der
Rückbank eines Geländewagens und
starrt auf sein Telefon. Das Auto
braust die felsige Atlantikküste Nord-
westspaniens entlang. Rodríguez
macht mit einem Kollegen eine Tour
durch die »Narco-Dörfer«, wie er sie
nennt. Dass es für Bashkim Osmani
in Spanien ungemütlich geworden ist,
hat viel mit Rodríguez und seinen
Leuten zu tun. Der drahtige Ermittler
ist Leiter der Spezialeinheit Greco
Galicia, einer Truppe der spanischen
Nationalpolizei, die zur Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität ge-
gründet wurde. In Galicien heißt das
so gut wie ausschließlich: Drogen-
schmuggel. Ständig klingelt sein Han-
dy, Rodríguez kann kaum einen Satz
zu Ende sprechen, da bimmelt es
schon wieder. Er muss später noch
mal ins Büro. »Unsere Gegner ken-
nen keine Dienstzeiten«, sagt er. Sei-
ne Chefin, die Dienststellenleiterin,
ist ohnehin immer da. Sie wohnt in
einem kleinen Apartment im Polizei-
gebäude, sechster Stock, direkt neben
den Greco-Büros.
Galicien sei weltweit bekannt für
seine Meeresfrüchte, die Muschelfar-
men, sagt Rodríguez. »Was nicht so
bekannt ist: Viele Fischer holen gegen
gute Bezahlung auch heimlich Kokain
von den Schiffen der Kartelle.« Jedes
Jahr beschlagnahmen seine Ermittler
viele Tonnen, 20 waren es im vergan-
genen Jahr. Wohl nur ein Bruchteil
dessen, was schließlich in den Nasen
Europas landet. Bis spät in die Nacht
observieren die Greco-Beamten Ver-
dächtige. Sie kennen die Autos, die
Häuser, die Ehefrauen der örtlichen
Schmuggler, erzählen sie. Normaler-
weise fingen sie die kleinen Fische:
Logistiker und Transporteure, selten
Hintermänner. Doch vor fünf Jahren
stießen sie auf einen Fall, der immer
größer wurde.
Ermittlungsakten, die der SPIEGEL
einsehen konnte, skizzieren den Ur-
sprung des Verfahrens. Der entschei-
dende Tipp kam von der US-Anti-
drogenbehörde DEA. Die Amerika-
ner lieferten den Spaniern im Jahr
2017 Informationen über eine Grup-
pe Albaner, die offenbar eine große
Drogenlieferung von Kolumbien nach
Katalonien vorbereitete. Unter den
Verdächtigen war ein Mann, den die
galicischen Fahnder schon kannten.


Also stieg Emilio Rodríguez Ramos
mit seiner Truppe in die Ermittlungen
ein.
Nach drei Jahren Arbeit fassten sie
im Raum Barcelona vier Männer, die
mutmaßlich fast eine halbe Tonne
Koks nach Albanien bringen wollten.
Rodríguez teilte die Namen der Ver-
hafteten mit Behörden anderer Län-
der. »Kollegen aus Belgien meldeten
sich«, so der Ermittler. »Sie zählten
einen unserer Beschuldigten zu einem
noch viel größeren Kokainnetzwerk.
Da hörte ich zum ersten Mal den
Namen Bashkim Osmani.«
Osmani. Schon länger waren die
Belgier einigen Dealern aus dessen
Umfeld auf der Spur. Sie sollten gro-
ße Mengen Stoff einschleusen und
über Mittelsmänner mit Bashkim Os-
mani im fernen Mallorca in Kontakt
stehen. Also bildete Europol mit Be-

teiligung von Spanien und Belgien
eine Taskforce. Es begann ein kom-
pliziertes Puzzlespiel. Spuren führten
nach Deutschland, Italien, Albanien,
England – überall schien das Netz-
werk vertreten zu sein.
Die Fahnder stießen auf den Ge-
schäftsmann Myftar L. aus Albanien,
der nach ihren Erkenntnissen mit
einem mächtigen Drogenhändler in
Belgien in Verbindung stand. Die
Taskforce verglich Reisedaten, obser-
vierte Treffpunkte. So kam heraus,
dass L. offenbar auch Kontakt zu
einem Vertrauten Osmanis aus Ham-
burg hatte: Sadri L., Spitzname »Al-
baner-Toni«, legendäre Kiezgröße
und Schwager von Bashkim Osmani.
Eine heiße Spur.
Myftar L. war für eine Stellung-
nahme zu den Vorwürfen nicht zu
erreichen. Sadri L. ließ eine Anfrage
unbeantwortet. Der Anwalt von
Bashkim Osmani teilte mit, sein Man-
dant habe mit Treffen Dritter nichts
zu tun und wisse auch nichts darüber.
Teil der internationalen Ermittler-
truppe waren auch Experten der mal-
lorquinischen Guardia Civil. Nach
Hinweisen des spanischen Geheim-
dienstes hatten sie schon einige Zeit
zuvor begonnen, Osmanis Geschäfte
wegen Geldwäscheverdachts unter
die Lupe zu nehmen. In der Europol-
Taskforce wurden die Informationen
aller beteiligten Behörden gebündelt.
Bald gab es Neuigkeiten: Spezialisten
war es gelungen, den bei Kriminellen
beliebten verschlüsselten Messenger-
dienst Sky ECC zu knacken. Eine Art
WhatsApp für Gangster. Die Daten
waren ein Volltreffer.
Unter den Zehntausenden Kunden
des Dienstes fanden sich auch Be-
kannte von Myftar L. Sie hatten das
Chatprogramm mutmaßlich für die
Abwicklung von Kokaingeschäften
genutzt. Die Polizei konnte nun nach-
lesen, was sie offenbar getrieben hat-
ten. Doch ein Name fehlte in dem
Datensatz: Bashkim Osmani. »Er
nutzt kein Telefon für heikle Geschäf-
te und hat keinen direkten Kontakt
zu den Kokainimporteuren auf unte-
rer Ebene«, sagt ein spanischer Be-
amter. »Das macht den Nachweis so
schwierig.« Meistens laufe die Kom-
munikation über Mittelsmänner, die
als Puffer dienten, in persönlichen
Gesprächen, konspirativ.
In den Akten finden sich Aufnah-
men observierter Treffen auf Mallor-
ca. Auf einem Bild trägt Bashkim Os-
mani eine dunkle Sonnenbrille. Er
sitzt mit Verdächtigen aus der Bel-
gien-Connection an einem Tisch im
Ritzi, hinter ihm die Tafel mit dem
Champagnerangebot. Einer der Män-

1 | Promilokal Ritzi
auf Mallorca
2 | Geschäftsmann
Bashkim Osmani
mit Schauspielern
Nick Nolte, Til
Schweiger 2018
3 | Drogenfahnder
Rodríguez

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Marcus Simaitis / DER SPIEGEL

STAR PRESS

Pablo Herraiz
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