Der Spiegel - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1
Nr. 19 / 7.5.2022DER SPIEGEL 53

Seit 2014 gibt es den Familienbe-
trieb BSSD. Mario Piejde, der Senior,
ist, so der Pressechef, Maurermeister,
Stahlbetonbaumeister, staatlich ge-
prüfter Statiker, Bausachverständiger
und Bodensachverständiger, lauter
für den Bunkerbau sehr nützliche
Qualifikationen. Früher haben sie
Häuser gebaut.
Dann haben sie, man möchte jetzt
nicht »Glück gehabt« sagen, aber sie
haben weit vor der Zeit eine Markt-
lücke aufgetan, die seit Beginn des
Krieges von der Lücke zum Loch wur-
de, und zwar zu einem großen.
Wartezeiten gebe es jetzt auch.
Manche versuchten, die zu umgehen.
»Neulich hatten wir auf einmal
380 000 auf dem Konto, und wir
wussten gar nicht, wo die herkom-
men«, erzählt Schmiechen. »Dann
haben wir gesehen: Da hat sich einer
auf unserer Website einen Bunker
konfiguriert und direkt bezahlt. Der
hat gehofft, dass er so schneller einen
bekommt. Aber so läuft das nicht.
Bei uns geht es schön nach der
Reihe.«
Die Ausstattung mit Nahrungsmit-
teln und Getränken obliegt dem Kun-
den selbst. »Wir können da nur Emp-
fehlungen geben«, sagt Schmiechen.
»Wir hatten mal einen Kunden, der
wollte morgens immer frische Kuh-
milch trinken, und hat gefragt, ob man
auch eine Kuh mit in den Bunker neh-
men kann. Wir haben gesagt: theore-
tisch ja. Man muss sich nur klar sein,
dass da vorn was reinmuss und hinten
was rauskommt. Wir würden eher zu
einer Kuh in Steakform raten.«
Wie viele Bunker sie so verkaufen
oder verkauft haben oder verkaufen
werden ist Betriebsgeheimnis – nicht
mal eine ungefähre Zahl bekommt
man, da hält der Pressechef dicht wie
seine Panzerstahlwände. Das Einzige,
was rauszukriegen ist: Es gibt eine
Nord-Süd-Teilung. »Im Süden ist halt
mehr Geld vorhanden«, sagt Schmie-
chen. »Und es gibt eine Ost-West-Tei-
lung. Im Westen ist es den Leuten
eher wichtig, dass es atomsicher ist.
Im Osten geht es mehr darum, dass
der Russe vor der Tür steht und mich
beschießt.«
Später setzt sich die Chefin doch
noch für ein paar Minuten dazu. Sie
werden expandieren, nach Nieder-
sachsen, nach Süddeutschland. Auch
von Kommunen seien schon Anfra-
gen gekommen. »Wo die Nachfrage
da ist, stehen wir natürlich gern mit
unserer jahrelangen Expertise zur
Verfügung«, sagt die Chefin. Ob sie
selbst einen Bunker haben? Haben
sie nicht. »Wir wohnen zur Miete.«

D


ie Tür hat keine Klingel. Sie ist
aus Holz. Es liegt ein Fußabtre-
ter davor, direkt auf dem Bür-
gersteig. Man kann klopfen, und
wenn jemand aufmacht, geht es ein
paar Stufen hinab, dann steht man
schon mitten in der Firma, die die
Deutschen vor einem Raketenangriff
oder einem Atomschlag schützen soll.
Zumindest die Deutschen, die sich
einen privaten Schutzraum leisten
können.
Die Bunker Schutzraum Systeme
Deutschland (BSSD) in Berlin-Mitte
hat keine Sicherheitsschleuse, kei-
nen Vorraum, nur ein Souterrain und
eine Hündin, die laut bellt. Sie heißt
Ottilie, hat sehr kurze Beine und
scheint ein bisschen zu dick.
Die Garderobe hat die Form eines
Sturmgewehrs. »Kein spezieller Typ«,
sagt Mark Schmiechen. Er ist freier
Journalist und seit vergangenem Jahr
als Pressechef für BSSD tätig, denn
für Pressegespräche hat die Chefin
keine Zeit mehr. Aus dem Fenster
sieht man die Hosenbeine der Passan-
ten, die an der Spree spazieren.
Es gibt derzeit viele Pressegesprä-
che, die wiederum weitere Pressege-
spräche nach sich ziehen. Bunker
interessieren die Leute im Moment
mehr als jemals zuvor. Neulich habe
sogar ein Zwölfjähriger angerufen,
der Angst hatte und wissen wollte,
was er nun tun solle. Und eine Nonne.
»Seit Kriegsbeginn«, sagt der Presse-
chef, »explodiert das Geschäft.«
Im Besprechungsraum stehen
schon etwas verblichene Deutsch-
landfähnchen auf dem lang gezoge-
nen Tisch. Der Raum hat keine Fens-
ter. Aber sicher ist er nicht. »Das ist
kein Bunker, das ist ein Keller«, sagt
Mark Schmiechen.
»Ein Keller ist kein Schutzraum
im baulichen Sinn, auch wenn derzeit
in der Ukraine viele Menschen in Kel-
lern Schutz suchen.« Ein Bunker à la
BSSD ist aus speziellem Panzerstahl,
er muss Beschuss aushalten, vor Er-
schütterungen schützen und idealer-
weise auch vor Gas oder atomarer
Strahlung. Es gibt ihn in sechs Stan-

dardausführungen, die bis zu 385 000
Euro kosten, ohne Zubehör. Aber »für
diejenigen, die ein gewisses Extra
möchten«, kann die Firma auch »Bun-
ker oder Zufluchtsorte nach Ihren per-
sönlichen Bedürfnissen designen, ent-
wickeln, bauen und installieren. Gren-
zen«, schmeichelt die Website, »set-
zen lediglich Ihre Kreativität, Ihre
Präferenzen sowie das Budget«.
Ja, das Budget. Das muss man ha-
ben, denn es gibt allerlei nützliches
Zubehör. Eine Abortkabine mit Tro-
cken-WC kostet 1370 Euro, eine Ab-
ortkabine ohne Trocken-WC 935
Euro, aber was soll man damit? Dann
lieber nur das WC, ohne Kabine, auch
nicht jedermanns Sache, aber das We-
sentliche ist, wie so oft, am preiswer-
testen: 675 Euro. Es gibt Gasfilter-
anlagen ab 11 900 Euro, Explosions-
schutzventile oder Tränengas- und
Rauchwerfer. Wer braucht so etwas?
»Alle möglichen Leute, quer durch
die Gesellschaft«, sagt der Pressechef.
»Vom Politiker bis zum Anwalt, vom
Prominenten bis zum Bäckergesel-
len.« Das mit dem Bäckergesellen ist
leider nicht zu überprüfen, Geheim-
haltung wird in der Branche großge-
schrieben, und auch die Kundschaft
hat offenbar wenig Interesse, mit
Luxusbunkern anzugeben.

Ein bombensicheres


Geschäft


EINE MELDUNG UND IHRE GESCHICHTE Wie ein Berliner Bunkerbauer
von der Kriegsangst der Deutschen profitiert

Auch eine Kuh
kann theo­
retisch mit in
den Bunker.
Nur muss
vor n was rein
und hinten
was raus.

Frauke Hunfeld n

Bunker aus
Panzerstahl, Screen­
shot von der
Website wiwo.de

DER SPIEGEL
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