WISSEN
94 DER SPIEGELNr. 19 / 7.5.2022
K
aum ein Lüftchen von Flensburg
bis zum Bodensee, dazu Nebel
allerorten; und das zur Winter-
zeit, wenn der Strombedarf besonders
hoch ist: »Kalte Dunkelflaute« nennen
Energiewende-Skeptiker derartige
Wetterlagen. Für sie ist es ein Tot-
schlagargument, das zeigen soll: Es
geht nicht ohne fossile Brennstoffe.
Für zehn Tage herrschte ein sol-
ches graues Einerlei beispielsweise
Anfang 2017. Und wie erwartet:
Wind- und Solarenergieanlagen
brachten lediglich 4,6 Gigawatt Leis-
Speicher für den Zappelstrom
ENERGIEWENDE Der Ukrainekrieg zeigt, wie dringlich der Umbau des Strom- und Wärmesystems ist.
Bis Deutschland unabhängig von fossilen Importen sein kann, werden noch
Jahrzehnte vergehen. Doch immerhin ist das Jahrhundertprojekt technisch möglich.
tung ins Stromnetz ein. Benötigt wur-
den jedoch mehr als 60 Gigawatt.
Die Gefahr eines Blackouts be-
stand damals nicht. Konventionelle
Kraftwerke halfen aus. Deren Anteil
an der Stromeinspeisung betrug zeit-
weise mehr als 90 Prozent.
Ein Extremfall, zugegeben. Trotz-
dem stellt sich die Frage: Wie soll der
Strom- und Wärmebedarf Deutsch-
lands jemals mit erneuerbaren Ener-
gien gedeckt werden, wenn doch
Wind und Sonne nicht so verlässlich
sind wie Kohle, Gas und Öl?
Das Schreckensszenario der Dun-
kelflaute ist ein steter Begleiter
der Diskussionen um den Kohle-
und Atomausstieg bei der Energie-
wende. Der Ukrainekrieg hat die
Situation nochmals verschärft: Dreht
Russland den Gas- und Ölhahn
zu, droht Deutschland im Kalten zu
sitzen.
Um das zu verhindern, hat sich
Wirtschaftsminister Robert Habeck
auf eine weltweite Shoppingtour nach
fossilen Brennstoffen begeben. Trotz-
dem sind Turbinen und Solarmodule
Prototyp eines
Schwerkraft-
speichers im
Schweizer Kanton
Tessin: Gewichte
rasseln auf die Erde
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