FOCUS - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1

Fotos:


Dina Litovsky/Redux/laif, Bill and Melinda Gates Foundation


was sich in jeder Region vor Ort abspielt.
Die WHO als die für die Koordinierung
des GERM-Teams zuständige Organisa-
tion kann dazu beitragen, die zentrale
Mission des Teams in den Vordergrund
zu rücken: Ausbrüche festzustellen und
Alarm zu schlagen.
Aber das GERM-Team hat noch eine
zweite wichtige Mission – die Belastun-
gen reduzieren zu helfen, die durch In -
fektionskrankheiten wie Malaria, Masern
und so weiter verursacht werden. Damit
könnten Hunderte und Tausende Men-
schenleben gerettet werden, und gleich-
zeitig bleiben so die Kompetenzen des
Teams immer auf dem neuesten Stand,
selbst dann, wenn es keinen neuen Aus-
bruch aktiv bekämpfen muss.

Erst der Klimawandel. Dann Pandemien.
Was kommt als Nächstes?
Die WHO ist die einzige Institution, die
auf die nationalen Regierungen einwir-
ken und sie ermutigen kann, offener mit
potenziellen Ausbrüchen innerhalb ihrer
Landesgrenzen umzugehen. Dafür kön-
nen die Mitgliedsstaaten der WHO einan-
der auch zur Rechenschaft ziehen, wobei
ihnen klar sein muss, dass es auch ver-
lockend sein kann, das Gegenteil zu tun.
Meldet ein Land einen Ausbruch, wird
es womöglich gezielt mit Reiseeinschrän-
kungen belegt, was spürbare wirtschaft-
liche Folgen haben kann – ein starker
Anreiz, den Ausbruch nicht mitzuteilen.
Andererseits hat die Weltgemeinschaft ein
großes Interesse an diesen Informationen,
weshalb sich die Staaten überall auf der
Welt verpflichtet haben, die Daten im Rah-
men der International Health Regulations
auszutauschen. Die WHO sollte daher mit
ihren Mitgliedstaaten zusammenarbeiten,
um die internationalen Gesundheitsvor-
schriften und ihre Umsetzung zu stär-
ken. Während der Corona-Krise konnten

wir beobachten, dass Länder, die diese
Informationen weitergaben und schnell
reagierten, kurzfristig einen hohen Preis
zahlen mussten. Lockdowns und Reise-
beschränkungen sind schmerzlich, auch
wenn sie angemessen sind, aber damit
wurde verhindert, dass der Schaden so
groß wurde, wie er hätte sein können, so-
wohl für ihre eigene Bevölkerung als auch
für den Rest der Welt.
Auch andere Gruppen haben wichtige
Rollen zu spielen. Pharma- und Biotech-
Unternehmen sollten sich für eine größere
Zahl ihrer Produkte auf gestaffelte Preise
sowie auf Second-Source-Geschäfte ver-
pflichten und so dazu beitragen, dass auch
ihre Spitzenprodukte für Menschen in Ent-
wicklungsländern verfüg bar und bezahl-
bar werden. Technologiekonzerne sollten
die Entwicklung neuer digitaler Tools vor-
antreiben, darunter auch solcher, die das
Sammeln von Proben für diagnostische
Tests leichter und billiger machen, oder
Software-Programme, die das Internet auf
die frühesten Anzeichen eines Krank-
heitsausbruchs durchforsten.
Als ich Freunden erzählte, dass ich an
einem Buch über Pandemien arbeitete,
merkte ich sofort, dass sie ein wenig
überrascht waren. Viele von ihnen hatten

freundlicherweise das Buch über den
Kli mawandel gelesen, das ich 2021 ver-
öffent licht hatte, und obwohl sie zu höf-
lich wa ren, um es laut auszusprechen,
war mir doch klar, was sie dachten: Wie
viele dieser Bücher willst du noch schrei-
ben, in denen du uns irgendein großes
Problem erklärst und einen Plan zu sei-
ner Lösung entwi ckelst? Erst sollen wir
uns ums Klima kümmern. Jetzt um Pan-
demien und Gesundheitsfragen. Was
kommt als Nächstes?
Die Antwort lautet, dass dies die beiden
großen Probleme sind, in die wir meiner
Meinung nach mehr Ressourcen investie-
ren müssen. Klimawandel und Pandemien


  • wozu auch die Gefahr eines bioterro-
    ristischen Angriffs gehört – sind
    die wahrscheinlichsten existen-
    ziellen Bedrohungen der Mensch-
    heit. Glücklicherweise haben wir
    gute Chancen, in beiden Berei-
    chen schon in den nächsten zehn
    Jahren große Fortschritte zu er-
    zielen. Beim Klimawandel kön-
    nen wir das Ziel der Netto-null-
    Emissionen von Treibhausgasen
    bis 2050 erreichen – wenn wir in
    den nächsten zehn Jahren grü-
    ne Technologien entwickeln, die
    richtigen finanziellen Anreize
    schaffen und die richtigen Poli-
    tikansätze verwirklichen.
    Bei den Pandemien sind die Nachrichten
    sogar noch besser: Innerhalb der nächsten
    zehn Jahre können wir die meisten Tools
    entwickeln, mit denen sich verhindern
    ließe, dass sich ein Krankheitsausbruch
    in eine Katastrophe verwandelt – wenn
    die Staaten mehr Geld in die Forschung
    investieren und evidenzbasierte Metho-
    den und Strategien implementieren.
    Wir können uns nur schwer vorstellen,
    dass wir tatsächlich in der Lage sein könn-
    ten, den Verlauf einer Pandemie zu beein-
    flussen. Es gibt aber Dinge, die wir alle
    tun können. Wir sollten Politiker wählen,
    die Pandemien ernst nehmen und die,
    sollte es dazu kommen, gute und auf wis-
    senschaftlichen Erkenntnissen beruhende
    Entscheidungen treffen. Wir sollten ihren
    Empfehlungen folgen, Masken zu tragen,
    zu Hause zu bleiben und Abstandsregeln
    zu beachten, wenn wir außer Haus sind.
    Wenn möglich, sollten wir uns impfen las-
    sen. Wir sollten die Fake News ignorieren,
    mit denen die sozialen Medien förmlich
    überschwemmt werden. Selbstverständ-
    lich sehnen wir uns alle danach, dass alles
    wieder so wird wie vorher, aber es gibt
    doch etwas, das wir uns in Zukunft nicht
    mehr leisten können: unsere Gleichgültig-
    keit im Umgang mit Pandemien. n


Fortschritt erreichen
Der rettende mRNA-
Impfstoff wurde zuerst in
Deutschland entwickelt.
Die beiden Forschenden
Ugur Sahin und Özlem
Türeci machten ihre Firma
Biontech weltberühmt

Hilfe leisten
Bill Gates und
seine Ex-Frau
Melinda bei
einer ihrer Reisen
nach Afrika

PANDEMIE
Free download pdf