FOCUS - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1

Förderquellen


sprudeln weiter


D


er Eindruck täuscht: Die Förderung
von energetischer Sanierung oder
klimafreundlichen Neubauten ist
in Deutschland nicht zum Erliegen gekommen
ist. Viele staatliche Programme laufen weiter.
Hier die wichtigsten Tipps:
Die richtigen Ansprechpartner: Zuschüsse
zu Einzelmaßnahmen wie Dachdämmung oder
Fensteraustausch bewilligt das Bundesamt für
Wirtschaft (www.bafa.de). Zuschüsse für Sanie-
rungen zum Effizienhaus-Standard werden bei
der KfW beantragt (www.kfw.de). Förderkredite
mit Tilgungszuschüssen für Einzelmaßnahmen,
Effizienzhaussanierungen sowie -neubauten
vergibt ebenfalls die KfW, man muss sie aber beim
durchleitenden Kreditinstitut (meist Hausbank)
beantragen.
Neuer Standard für Förderungen ist das
Effizienzhaus (EH) 40, bei dem hohe An-
forderungen für Heizung, Lüftung und Dämmung
gelten, dazu müssen erneuerbare Energien wie
Wärmepumpen, Holzpellets oder Solarenergie
zum Einsatz kommen.
Niedrigere Anforderungen gelten für
Zuschüsse bei der Gebäudesanierung. Im Unter-
schied zum Neubau spendiert der Staat hier
etwas weniger Geld auch für Standards, die
Effizienzhaus 40 nicht erreichen. Die Effizienz-
hausklassen mit den geringsten Anforderungen
dafür sind EH 100 und EH Denkmal.
Einen Fachplaner bestellen: Zusätzlich
zu den Förderungen für Sanierungen und Neu-
bauten lassen sich Zuschüsse für energetische
Fachplanungen in Höhe von bis zu 50 Prozent der
Kosten kassieren. In den meisten Förderfällen ist
eine solche energetische Fachplanung obligato-
risch. Die dafür zuständigen Energieberater findet
man hier: http://www.energie-effizienz-experten.de.
Sie erstellen darüber hinaus sinnvolle Sanierungs-
Fahrpläne für jedes Projekt.n

MATTHIAS KOWALSKI

Sanierung


lionen zusätzliche Wohnungen baute),
in nur acht Jahren erneut zu stemmen.
Robert Habeck kündigte nach einem
eher missglückten Förderstopp samt Neu-
start eine „Neuausrichtung der Neubau-
förderung“ an. „Ziel ist, diese Zug um
Zug auf immer mehr Nachhaltigkeit und
Effizienz auszurichten.“ Parallel solle
„prioritär die dringend notwendige Sanie-
rung“ gefördert werden. Bislang ist das
schnurz. Egal, ob Altbauten abgerissen
oder Wiesen zugebaut werden – die staat-
liche Förderung zieht keine Gesamt -
bilanz. Klimaschützer nervt, dass in der
Energiefrage die Neubauten in Deutsch-
land immer noch schöngerechnet wer-
den – nach dem Motto: Wir haben zwar
neu gebaut, aber dafür verbrauchen wir
ja jetzt weniger. Und tatsächlich: Verglei-
che in der Energiebilanz zwischen einem
sanierten Altbau und einem Neubau mit
moderner Betriebstechnik fallen regel-
mäßig meist zugunsten des Neubaus
aus. Den aktuellen Beleg dazu liefert
der Baumeisterverband aus der Schweiz.
Ein heute erstelltes Gebäude benötige
vier- bis siebenmal weniger Energie als
eine Immobilie aus der Zeit vor
den 1980er Jahren, loben die
Eidgenossen. Das klingt doch
toll, treibt indes Future-Archi-
tektin Broermann schier auf
den Baukran: „Berechnet wird
ausschließlich der Energiever-
brauch im Betrieb. Die Energie,
die zur Herstellung und gege-
benenfalls zum Rückbau und
zur Entsorgung eines neuen
Gebäudes notwendig ist, wird
gänzlich unterschlagen. Dabei
macht diese graue Energie je
nach Bauweise bis zu 50 Prozent
der gesamten Lebenszyklus-
energie eines Gebäudes aus.“
Das politische Paradox: We-
gen der Wohnungsnot muss
möglichst schnell und viel, auf-
grund des Klimawandels sollte
aber nur so wenig wie mög-
lich gebaut werden. Kann das
gelingen?

„Das gesteckte Ziel von 400 000 Woh-
nungen dürfte nur sehr schwer zu errei-
chen sein“, meint Dietmar Walberg von
der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes
Bauen (ARGE) in Kiel, die sowohl Regie-
rungen als auch die Baubranche berät.
300 000 Wohnungen hält er dieses und
nächstes Jahr für erreichbar, „und das
ist ganz überwiegend aus den Bau-Über-
hängen aus den Vorjahren erklärbar. Die
sind geplant und genehmigt und werden
jetzt abgearbeitet. Aber danach sehe ich
diese Stückzahlen nicht.“

Bauen wir am Bedarf vorbei?
Die Wertschöpfungskette im Bau sei emp-
findlich gestört, argumentiert Walberg,
„wir stecken in einer beispiellosen öko-
nomischen Situation“. Der Frühindikator
mit Verursacherpreisen, der die Rohstoff-
versorgung und den Bergbau umfasst,
pendelt um einen extrem niedrigen Wert
von 30 Prozent – „das ist der Stand von
1949, also Nachkriegsniveau“. Diese
Dimension sei den Verantwortlichen noch
nicht ganz bewusst, sagt der ARGE-Chef.
Gleichzeitig gebe es den Preisdruck im
Wohnungsmarkt, aber mit Neubau wie
bisher ließe sich das Problem nicht lösen.
„Unsere Analysen zeigen, dass nur zehn
Prozent der neu gebauten Wohneinhei-
ten in Preisbereichen angesiedelt sind,
die von der Bevölkerung auch bezahlt
werden können.“
Sind also unsere Ziele richtig gesteckt?
Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung
an der HafenCity Universität Hamburg,
hat da seine Zweifel, ob die gesetzten
großen Zahlen überhaupt sinnvoll sind.
Er fürchte, „dass wir uns in
dreißig Jahren fragen, wie wir
nur so viel bauen konnten“.
Auch das Institut der deut-
schen Wirtschaft (IW) mahnt in
einem Gutachten, das Ziel der
Bundesregierung sei „deutlich
zu hoch angesetzt“. Es beziffert
den Bedarf auf 308 000 Woh-
nungen pro Jahr, was dem
derzeitigen Bauvolumen recht
nahe käme. Laut IW-Studie
müsste nicht mehr, sondern
„vor allem woanders gebaut
werden“. Denn gegenwärtig
werde in jedem zweiten Land-
kreis mehr gebaut als nötig, vor
allem in der Provinz. Eine Aus-
wertung zeige, dass in den ver-
gangenen Jahren so jedes Jahr
rund 27 000 Wohnungen an
der falschen Stelle entstanden
sind – rund zehn Prozent des
gesamten Neubaus. Bedarf

400 000 neue


Wohnungen


pro Jahr: Ist das


nicht zu viel?


Geld-Adresse: Die staatliche
Förderbank KfW

»Gut wäre,
wenn die
nächste
Generation
alte Häuser
erwirbt und
saniert«

Klara Geywitz,
Fotos: Sebastian Arlt für FOCUS-Magazin (3), dpa (2) Bundesbauministerin

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