FOCUS - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1
WIRTSCHAFT

Fotos: Maria Bayer für FOCUS-Magazin, dpa

B


jörn Gulden lebt
gerade in Extre-
men. Da sorgt er
sich um Puma-
Mitarbeiter in
der Ukraine, aber
auch in Russland.
Dann aber fliegt der Norwe-
ger in die USA und trifft Hip-
Hop-Milliardär Jay-Z. Seit
Gulden Chef ist, gedeiht der
Sportkonzern aus Herzogen-
aurach jedenfalls prächtig:
der Umsatz so hoch wie nie,
die Nachfrage nach Sneakern
riesig. Aber wie geht’s weiter
in solchen Kriegszeiten?

Herr Gulden, bislang rüstete
Puma die russische Basket-
ball-Nationalmannschaft
ebenso aus wie Schachtar
Donezk, den wichtigsten
Fußballklub der Ukraine. Was
bedeutet der Krieg zwischen
den beiden Ländern für Puma?
Zumindest in Russland
wurden alle Verträge suspen-
diert. Da gibt’s aktuell also
keine Grundlage für irgend-
ein Sponsorengeschäft.
Anders als andere Unterneh-
men hat Puma seine Shops in
Russland nur bis auf Weiteres
geschlossen. Hoffen Sie auf Entspannung?
Die Forderung, sich von so einem Land
zu trennen, hört sich schön einfach an.
Aber wir tragen dort Verantwortung für
130 Shops und vor allem 1300 Beschäf-
tigte. Die gehören zu unserer Puma-Fami-
lie. Also müssen wir ihnen eine gewisse
Sicherheit und Perspektive geben.
Sie zahlen die Gehälter weiter?
Ja. Und wir kümmern uns zudem um
Fortbildungskurse und andere Incentives,
um unsere Leute aktiv zu halten. Übri-
gens haben wir hier in Herzogenaurach
auch ein Dutzend russische Mitarbeiter.
Die können ja nichts für den Konflikt.
Wie helfen Sie Ihren Beschäf-
tigten aus der Ukraine?
Wir haben ein altes Sanatorium zu
einem „Safe House“ umgestaltet, in dem
Platz für 300 Menschen ist, zunächst mal
Frauen und Kinder. Auch Kolleginnen von
Adidas wurden schon aufgenommen. Zur-
zeit haben wir 113 Ukrainer hier in Erlan-
gen, wo wir Wohnungen für sie angemie-
tet haben. Manche arbeiten schon bei
uns. Einige unserer Leute sind außerdem

mehrfach mit Kleinbussen in
die Ukraine gefahren – auf
dem Hinweg mit Lebensmit-
teln, auf dem Rückweg mit
evakuierten Menschen. Das
rührt mich schon.
Wollen Sie sich als Vor-
standschef politisch posi-
tionieren? Müssen Sie es?
Weder noch. Ich habe mit
Politik nichts zu tun, sondern
ich verkaufe Schuhe.
Selbst russische Sportler
ergreifen Partei ...
... und alle müssen selbst
wissen, was sie tun. Ich wür-
de nur davor warnen, russi-
sche Sportler unter Druck zu
setzen, sich irgendwie zu positionieren.
Immerhin leben viele in ihrem Heimat-
land. Da kann ich aus dem Westen leicht
Statements einfordern. Natürlich finde
ich diesen Konflikt unfassbar schlimm.
Es ist auch für uns Europäer eine Nie-
derlage, dass an unserer Ostgrenze nun
so viele Menschen sterben müssen. Es

ist aber nicht so leicht, den
Helden zu spielen, wenn man
mittendrin steckt.
Hat sich die Idee vom Wandel
durch Handel erledigt?
Das denke ich nicht. Aber
was da falsch gelaufen ist,
will ich nicht beurteilen. An
zu wenig sportlichem Aus-
tausch kann es nicht gelegen
haben. Die Russen hatten
zuletzt Olympische Winter-
spiele, die Leichtathletik- so -
wie die Fußball-Weltmeister-
schaft, die Formel 1.
Kann man als globale Sport-
marke die Politik ignorieren?
Das Schöne an unserem
Job: Sport ist vielleicht der
größte Brückenbauer der
Welt. Ich bin schon aus Prin-
zip für einen stets freien
Austausch von Menschen und
Waren. Zugleich habe ich Rie-
senrespekt vor anderen Kul -
turen, die das teils nicht alle
so sehen wie wir und sich
trotzdem unfassbar entwi-
ckelt haben. Schauen Sie
nur, wie sich China in den ver-
gangenen Jahrzehnten ver-
ändert hat!
Welche Folgen haben die
drastischen Corona-Lock-
downs, die China aktuell
wieder verhängt hat?
Das kann ich noch nicht
genau sagen. Unser Büro dort
ist seit rund sechs Wochen
geschlossen – wie die gan-
ze Region. Die Leute sitzen
zu Hause und können nicht
raus, können also auch kaum
einkaufen oder gar shoppen
gehen. Die Produktion läuft.
Aber jetzt macht der Schiffs-
verkehr Probleme.
Puma ist Mitglied einer
Industrievereinigung, die
vergangenes Jahr ankündigte,
wegen der Menschenrechtslage
in der Provinz Xinjiang von
dort keine Baumwolle mehr beziehen zu
wollen. Daraufhin wurden Sie und andere
Konzerne boykottiert. Was lernen Sie da-
raus? Dass man lieber mal die Klappe hält?
Die chinesischen Kunden wollten ja
unsere Produkte kaufen. Und das tun sie
mittlerweile auch wieder. Was Menschen-
rechte angeht, hat sich in China schon

»


Auch Boris


Becker


bleibt ein


Teil der


Puma-


Familie


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Björn Gulden,
Puma-Chef
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