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Steiermark Magazin 5 • 2017
Mythos Rindt
FOTOS: GETTYIMA
GES
STEIRISCHE MOMENTE,
DIE NIE VERBLASSEN
Jochen Rindt. Der Name löst sofort Emotionen aus. Damals, an jenem
- September 1970, als die Motorsportlegende in Monza tödlich verunglückte –
da stand das Land still. Und vor allem die Steiermark, wo Jochen Rindt
aufwuchs. Zeitzeugen erinnern sich an seinem 75. Geburtstag.
J
emand sagt „Rindt“, und der an-
dere, sofern er damals schon auf
der Welt war und alt genug, um
zu begreifen, beginnt automa-
tisch und ungefragt mit der Beschrei-
bung des Moments: die Situation, in der
man sich befand an jenem spätsommer-
lichen Samstagnachmittag, zur Erinne-
rung gefroren wie Dornröschen, man
war im Garten, auf der Stiege, im Was-
ser, im Auto, jemand hat es gerufen,
oder war es am Telefon, im Radio: Der
Rindt ist tot, und dann hat man dies
oder jenes getan, weiß es jedenfalls noch
haargenau, was und wie, wird den Mo-
ment nie vergessen: Der Rindt ist tot.
Zehn Zeitzeugen erinnern sich. Wo wa-
ren Sie, als Jochen Rindt starb?
Norbert Orac
Autorevue-Gründer (damals 32)
„Meine erste Frau Gerda hatte ich bei
der Jochen-Rindt-Show, deren Presse-
sprecher ich war, kennengelernt, und
später mit Jochen ein Buch gemacht,
für das wir Heinz Prüller als Ghostwri-
ter gewinnen konnten. Jochen, bekannt
für seine Knausrigkeit, hatte mich für
die Vorbesprechungen in das Wiener
Gasthaus „Zur Linde“ eingeladen und
für sich die besten Autorenkonditio-
nen in Anspruch genommen. Der
Buchtitel ‚Einer von ihnen‘ stammt üb-
rigens von ihm. Als ich von seinem Tod
erfuhr, war ich gerade auf dem Weg zu
meinem Bungalow in der Südstadt. Ich
muss es im Radio gehört haben.“
David Staretz
Autorevue-Autor (damals 14):
„Die Neustadtsiedlung im nördlichen
Niederösterreich lag in Sichtweite der
tschechischen Grenze. Ich betrieb
mein Campingfahrrad Puch Mini als
eine Vorstufe zu BMX-Rädern, ahnte
also noch gar nicht, was ich vermisste,
als ich über einen Bauschutthaufen ba-
lancierte. Doch irgendetwas in mir war
heiß angerührt, als ein Häuslbauer dem
anderen über den Balkon zurief, dass
Jochen Rindt tödlich verunglückt war.
Er hatte es gerade im Radio gehört.“
Helmut Marko
Ehemaliger Rennfahrer, heute Red-
Bull- Motorsportchef (damals 27):
„Wir waren mit der ganzen Grazer Par-
tie in der Wohnung von unserem Schul-
freund Stefan Pachernegg und haben
übers Radio oder durch einen Anruf,
genau weiß ich das nicht mehr, davon
erfahren. Erst war da noch Hoffnung,
es war von einem schweren Unfall die
Rede, aber dann kam die Bestätigung,
dass Jochen tot ist. Das Unfassbare da-
ran war, dass Jochen, der in seinen An-
fangsjahren einer der risikoreichsten Pi-
loten gewesen war, sich grundlegend ge-
wandelt hatte. Er hatte diese Was-
schert-es-mich-Haltung abgelegt, hatte
auch sein Vertrauen zu Chapman ver-
loren, und dann passiert diesem neuen,
besonnenen Rindt so ein Unglück: ein
IM LOTUS fuhr Jochen Rindt beim Grand Prix von Monaco 1970 zum Sieg. Defekt, der aus heutiger Sicht praktisch
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