Fliegermagazin Juli 2017

(avery) #1
schafter der Flughafen GmbH und Flug-
schulbetreiber. Er empfiehlt mir an diesem
heißen Tag eine Radtour um die Reichenau,
der Uferweg führt an mehreren Badestellen
vorbei. Im Sommer ist dieser Teil des Bo-
densees zwei Grad wärmer als der übrige
See; speziell der Gnadensee zwischen Rei-
chenau und Allensbach kann karibische 26
Grad erreichen. So lieblich er aussieht – mit
einer Gnade der Natur hat sein Name nichts
zu tun: Wen im Mittelalter die Gerichtsbar-
keit auf der Insel zum Tode verurteilte, den
erwartete am nördlichen Festland die Voll-
streckung. Begnadigte der Abt den Verur-

Reise & eRlebnis


bergen bei Meersburg, Richtung Friedrichs-
hafen – es muss gigantisch gewesen sein, ei-
ne Do-X übers Wasser ankommen zu sehen!
–, auf die Allgäuer und die Vorarlberger Al-
pen, zum mächtigen, bis weit in den Som-
mer schneebedeckten Säntis, der mit sei-
nen 8200 Fuß alles in der Region überragt,
zu den ineinander übergehenden Städten
Kreuzlingen und Konstanz, zum Hafen,
Münster, Konzil ... Im berühmtesten Ge-
bäude der Stadt fand 1417 die einzige recht-
mäßige Papstwahl nördlich der Alpen statt.

D


ahinter, in den mittelalterlichen
Gassen der Niederburg, stammen
viele Gebäude aus dem 12. bis 15.
Jahrhundert. »Weinteufele«, »Wein-
glöckle«, »Niederburg Weinstube« – so be-
soffen kann man gar nicht sein, um in der
Altstadt zu übersehen, welches Getränk
die Badener bevorzugen. Dass die Stadt im
Zweiten Weltkrieg unversehrt blieb, ver-
dankt sie übrigens einer List: Nachts lie-
ßen die Konstanzer die Lichter an, wie die
Kreuzlinger. Die Bomberbesatzungen der
Aliierten glaubten deshalb,
es handle sich um schwei-
zerisches Gebiet – sie flo-
gen weiter und warfen ihre
Fracht über Friedrichsha-
fen ab.
Heute profitiert die Stadt
erneut von der Schweiz:
Durch das Preisgefälle und
die Mehrwertsteuer-Erstat-
tung shoppen die Nach-
barn gern »im Dütsche«.

WiRd edTZ geschlossen?
Seit den siebziger Jahren ist der Bestand des Konstanzer
Flugplatzes gefährdet. Grund: Er wird als Areal für neue
Gewerbeflächen in Erwägung gezogen. Es gibt allerdings
Zweifel, ob Bedarf an solchen Flächen besteht, ob andere
Optionen für solche Flächen ausgeschöpft sind und ob
sich das Flugplatzgelände für eine alternative Nutzung
überhaupt eignet: Es ist zu etwa 90 Prozent überflu-
tungsgefährdet, außerdem könnte wegen des weichen
Untergrunds nur ein Drittel der Fläche bebaut werden.
Seit Jahrzehnten wird die Betriebsgenehmigung immer
nur für fünf Jahre erteilt, was die Investitionsbereitschaft
der am Platz ansässigen Unternehmen lähmt. Im Jahr
2015 sprachen sich 11 397 Teilnehmer einer Online-
Petition für den Erhalt des Flugplatzes aus. Gegenwärtig
lässt die Stadt als Mehrheitseigentümerin der flugplatzbe-
treibenden GmbH ein Wertschöpfungsgutachten erstellen,
das herausfinden soll, welche wirtschaftliche Bedeutung
die umstrittene Fläche hat. Mit einer Entscheidung wird
noch 2017 gerechnet.

teilten allerdings noch, bevor das Boot den
See überquert hatte, ließ er eine Glocke läu-
ten, um den Henker zu stoppen.
Erst mal was trinken. Mit einem Flug-
platzfahrrad radle ich stadteinwärts an den
Rhein. Heading: Immer in Richtung des
Wasserturms auf dem Geläde einer ehema-
ligen Zeltfabrik. Im Biergarten des Restau-
rants »Bleiche«, direkt am Ufer, entspanne
ich mit Blick aufs Gottlieber Schloss.
Statt zur empfohlenen Reichenau rad-
le ich weiter rheinaufwärts zum Strandbad
Hörnle. Der Weg führt durch einen neu-
en hippen Stadtteil am Wasser; moderne
Architektur, Bürogebäude und Wohnun-
gen – kaum zu glauben, dass auf den kost-
baren Ufergrundstücken mal schäbige
Fabriggebäude standen. Erinnert irgend-
wie an die Hamburger HafenCity, bloß viel
kleiner. Über die Promenade an der See-
straße und die Schmugglerbucht erreiche
ich das Hörnle, einen Park in bester Lage.
Vom Badefloß vor der Landzunge wan-
dert mein Blick im Kreis: zu den Wein-

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