Fliegermagazin Juli 2017

(avery) #1
74 http://www.fliegermagazin.de #7.2017

Ein LEsEr fragt:

Neulich habe ich eine Geschichte gehört,
die ich so eigentlich gar nicht glauben
würde, hätte sie mir nicht ein vertrau-
enswürdiger Fliegerkamerad berichtet.
Der Sachverhalt: Ein Luftsportverein
verkaufte im Februar 2017 ein Flugzeug,
eine Morane Saulnier. Das Flugzeug war
vom technischen Leiter des Vereins
im September 2016 aufgrund diverser
Mängel gegroundet und mit der Kenn-
zeichnung »Maschine darf nicht geflogen
werden« verschlossen abgestellt worden.
Auf einer Online-Verkaufsplattform wurde
das Flugzeug von der Vorstandschaft für
15 000 Euro angeboten. Ohne Mitteilung
der teils erheblichen Mängel wurde die
Maschine durch die Vorstandschaft an den
neuen Besitzer als flugfähig übergeben,
und der Käufer startete am Abend nichts
ahnend zum Heimflug. Nach kurzer Flug-
zeit musste der Käufer aufgrund techni-
scher Probleme eine Sicherheitslandung
durchführen. Wer haftet für den Schaden,
beziehungsweise: Gibt es einen strafrecht-
lichen Tatbestand?

dass der Verein kein zweites identisches
Luftfahrzeug hat, mit dem er die so ge-
nannte Nacherfüllung leisten könnte. Dies
bedeutet auch, dass der gesamte Kaufpreis
zurückzuzahlen ist, ein bei der Sicherheits-
landung eventuell entstandener Schaden
geht zu Lasten des Vereins.
Zum strafrechtlichen Teil: Der Vor-
stand, das heißt die am Kaufvertrag mit-
wirkenden Personen, haben sich jeden-
falls wegen Betrugs strafbar gemacht (§
263 StGB), und zwar mit Hinblick auf das
Vermögen des Geschädigten. Weiterhin ist
der Betrug ein Offizialdelikt – das heißt, er
wird von der Staatsanwaltschaft von Amts
wegen verfolgt. Es bedarf also keines Straf-
antrags, und sogar wenn sich Käufer und
Verkäufer wieder versöhnen sollten, bleibt
die Strafbarkeit bestehen.
Der Tatbestand der Strafnorm ist ohne
Weiteres gegeben: Der Vereinsvorstand
hat in der Absicht, sich oder einem Dritten
(dem Verein) einen rechtswidrigen Ver-
mögensvorteil (überhöhter Kaufpreis) zu
verschaffen, das Vermögen eines anderen
(des Käufers) dadurch beschädigt, dass er
durch Vorspiegelung falscher Tatsachen
(Lufttüchtigkeit) einen Irrtum (beim Käu-
fer) erregt. Hätte der Käufer gewusst, dass
das Luftfahrzeug nicht lufttüchtig ist, hätte
er sicherlich nicht 15 000 Euro gezahlt.
Anscheinend ist der Käufer bei der
Sicherheitslandung nicht verletzt worden.
Sonst hätten sich die Vorstandsmitglieder
im schlimmsten Fall noch der vorsätzli-
chen Körperverletzung strafbar gemacht.
Denn wer zulässt, dass jemand mit einem
luftuntüchtigen Flieger abhebt, der nimmt
billigend in Kauf, dass der Pilot bei einer
Sicherheits- oder Notlandung verletzt
wird. Das reicht schon für Vorsatz.
Beide Delikte haben einen Strafrahmen
von bis zu fünf Jahren, oder es kann eine
Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verhängt
werden.

KOMMENTAr Dr. Roland Winkler

Z


um zivilrechtlichen Teil: Wir haben
hier einen Kaufvertrag nach § 433
BGB vorliegen, der auch formlos,
also etwa mündlich abgeschlossen werden
kann. Nach dem Gesetz ist der Verkäufer
verpflichtet, den Kaufgegenstand dem
Käufer frei von Rechts- und Sachmängeln
zu übergeben und das Eigentum zu über-
tragen. Der Käufer hat die Sache abzuneh-
men und den Kaufpreis zu bezahlen.
Ein Rechtsmangel wäre das fehlende Ei-
gentum des Verkäufers, was hier aber nicht
der Fall ist. Allerdings ist das Flugzeug
nicht frei von Sachmängeln, da es sich
nicht für die gewöhnliche Verwendung
(fliegen) eignet. Entscheidender Zeitpunkt
für die Mängelfreiheit ist die Übergabe –
zu der Ihren Schilderungen nach das Luft-
fahrzeug mängelbehaftet war.
Nun muss allerdings der Käufer be-
weisen, dass der Mangel bei der Übergabe
vorgelegen hat. Nachdem der Verein kein
Unternehmer im Sinne des BGB ist, greift
die Beweislastumkehr nicht, die für den
Verbrauchsgüterkauf gilt. Das heißt: Der
Käufer muss im Zivilprozess durch einen
Sachverständigen den Beweis führen, dass
der Mangel bei der Übergabe vorlag. Jetzt
könnte der Verkäufer noch einwenden,
dass der Käufer den Mangel gekannt habe
und trotzdem auf eigenes Risiko losgeflo-
gen sei. In diesem Fall hätte dieser nach
§ 442 BGB keine Ansprüche. Es bleibt zu
hoffen, dass der Käufer zumindest eine
Quittung über den gezahlten Kaufpreis
hat. Dann hätte er wenigstens ein Indiz
in Händen dafür, dass er nicht für Schrott
15 000 Euro bezahlt hat.
Angenommen, der geschilderte Sach-
verhalt kann bewiesen werden, dann steht
dem Käufer ein Recht auf Rücktritt vom
Kaufvertrag zu, weil anzunehmen ist,

Praxis | recht


Vorsicht bei Schnäppchen


fLugZEugkauf Der Verkäufer eines gebrauchten Motorflugzeugs verschweigt
gravierende Mängel. Schon der Überführungsflug endet auf einer Wiese – wer haftet?

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Rechtsanwalt und Pilot

Foto: Christina sCheunemann
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