Fliegermagazin Juli 2017

(avery) #1
linken Seite des Wracks einen vom Feu-
er gezeichneten Leichnam. Er wird als der
Pilot identifiziert, der auf dem vorderen
Platz gesessen hatte. Der 24-jährige Pilot
konnte sich mit leichten Verletzungen aus
dem Wrack befreien.
Bei den Ermittlungen der Bundesstelle
für Flugunfalluntersuchung (BFU) wird der
überlebende Pilot befragt. Er gibt an, dass
der vorne sitzende Pilot ihn gefragt habe,
was los sei, als er das Stottern des Motors
bemerkte. Darauf habe er geantwortet:
»Flieg du mal schnell, ich schaue nach dem
Motor.« Er habe dann den Kraftstoffhahn
bewusst auf den mittleren Rumpftank ge-
stellt und die eingeschaltete Benzinpumpe
kontrolliert. Drehzahl-, Gemisch- und Gas-
hebel habe er ganz nach vorn geschoben.
Zu diesem Zeitpunkt sei der Motor kom-
plett ausgefallen. Erst spät habe er dann be-

Am späten Nachmittag rollt der Tief-
decker zur Startbahn und hebt ab. Der Pi-
lot lenkt die Extra in den Querabflug und
schaltet dabei den Tankwahlhebel vom
Rumpftank auf die Flächentanks um. Da-
nach zieht er den Propellerregler zurück,
um die Drehzahl zu reduzieren. Die Ma-
schine fliegt in etwa 150 bis 200 Metern
über Grund, als der 24-Jährige ein Stottern
des Motors zu hören glaubt.
Zeugen am Boden sehen, dass die Ma-
schine aus dem Querabflug in eine Rechts-
kurve dreht, sich einem nahe gelegenen
Wald nähert und in etwa 30 Metern Hö-
he die Baumwipfel überfliegt. Dann ver-
schwindet die Extra in einer Senke. Augen-
blicke danach ist ein lauter Schlag zu hören,
und eine dunkle Rauchsäule steigt aus dem
Waldstück auf. Als die ersten Helfer an der
Absturzstelle eintreffen, finden sie auf der

TexT Samuel Pichlmaier

K

unstflugpiloten haben ein an-
spruchsvolles Hobby. Sie fliegen
nicht nur waghalsig erschei-
nende Manöver wie Loopings,
Rollen und Trudeln, sondern
bewegen sich im Wettbewerb auch noch
in einem engen zeitlichen und räumlichen
Rahmen. Und selbstverständlich müssen
sie – wie alle Piloten auch – ihren Treib-
stoffvorrat und dessen Management an ihr
Flugvorhaben anpassen.
Am 30. April 2012 starten zwei Piloten
von der Graspiste des Sonderlandeplatzes
Hahnweide nahe dem schwäbischen Kirch-
heim unter Teck mit einer Maschine des
Typs Extra 300L. Der verantwortliche Pilot
sitzt zum ersten Mal auf dem hinteren Sitz,
um sich mit dem agilen Zweisitzer vertraut
zu machen. Vorn hat ein erfahrener Kunst-
flieger Platz genommen. Der 57-Jährige hat
keine Lehrberechtigung und ist formal le-
diglich Fluggast, doch mit einer Flugerfah-
rung von über 3400 Stunden unterstützt er
den hinten sitzenden PIC. Dieser war bis-
lang fünf bis zehn Stunden mit der Extra
unterwegs, doch bis zu diesem Tag immer
auf dem vorderen Sitz.

Offene


Fragen


Motorausfall Zum
ersten Mal steuert ein
junger Pilot die Kunstflug­
maschine Extra 300L vom
hinteren Sitz aus. Kurz
nach dem Start bemerkt er
Motorprobleme. Es folgt
ein dramatischer Über­
lebenskampf

Praxis | Unfallakte


Fotos: Bundesstelle Für FlugunF

alluntersuchung

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