78 http://www.fliegermagazin.de #7.2017
Wenn alles einmal anders ist
Fliegen von rechts Fluglehrer sitzen auf dem rechten Sitz und haben von dort alles im Griff –
dann kann das doch nicht so schwer sein, denkt sich eine Pilotin und will es mal selbst ausprobieren
TexT http://www.whenchicksfly.com
Zeichnung Helmut Mauch
e
in gemeinsamer Ausflug mit Flieger-
freunden – Wochenend-Alltag für
viele von uns. Und ist es nicht auch
doppelte Sicherheit, mit anderen Piloten
zu fliegen? Wer rechts sitzt, übernimmt
Navigation und Funk, links alles Fliegeri-
sche. Und passiert mal etwas, kann auch
von rechts geflogen werden, oder?
Ich durfte es vor wenigen Wochen aus-
probieren und bin mit einem Fluglehrer
gestartet, um einmal zu sehen, wie es sich
so anfühlt, rechts zu sitzen.
Schon beim Check im Cockpit fällt mir
auf: Alle Knöpfe sind irgendwie weiter weg,
und die üblichen Handgriffe dauern länger
als gewohnt. Auf dem Weg zum Rollhalt
scheint alles aus der Perspektive geraten
zu sein. »PH-(...) is ready for departure«,
höre ich mich selbst sagen und frage mich
gleichzeitig, ob ich wirklich bereit bin
- und was mich in den kommenden 45
Minuten so an weiteren Überraschungen
erwarten wird. Der Spaß für Ben, meinen
Fluglehrer, beginnt bereits beim simulier-
ten Motorausfall nach dem Start. Mein
Griff zu den Klappen geht erst einmal ins
Leere, aber mit einer Schrecksekunde zum
Nachdenken klappt es dann doch noch.
Schon kommt die nächste Kritik: »Achte
auf den Steigwinkel!«, und ich merke, dass
ich normalerweise doch unbewusst und
schnell Airspeed und Steigwinkel abglei-
che. Doch nun geht der kurze Blick auf die
Instrumente ins Leere oder vielmehr auf
das Funkgerät vor mir, und der gewohnte
Doppelcheck klappt nicht.
Auf ins Übungsgebiet! 45-Grad-Kur-
ven? Nach 180 Grad abgebrochen und erst
einmal sortieren. Beim zweiten Versuch
klappt es schon besser. Dabei ist doch alles
einfach nur seitenverkehrt.
»So, und nun einen Stall. Der sieht
immer gleich aus«, höre ich von links. Gas
raus und dran denken, dass die übliche
Gashand nun am Steuer klebt und umge-
kehrt. Und schon ertönt die Stallwarning
... Höhenruder nachlassen, Gas geben,
abfangen und wieder steigen. Mein Kopf
denkt mit, meine Hände reagieren wie
immer. Das Ergebnis: Mit zirka 30 Prozent
Leistung bin ich fast schon im Sturzflug.
Ben lacht, ich bin frustriert. Gleich noch
einmal! Es wird schon besser, aber ob ich
das in einer Notfallsituation auch hinbe-
kommen hätte?
Auch beim Landeanflug kommen Zwei-
fel: Der Fahrtmesser ist einfach zu weit
weg für den schnellen Check, und auch
wenn ich mich an die geänderte Perspek-
tive langsam gewöhnt habe, sitzt mir die
Lektion von vorhin noch in den Knochen:
Jetzt bloß nicht wieder Gas und Steuer
verwechseln! Es wird nicht meine schönste
Landung, aber wir haben es geschafft.
Mein Fazit: Sicherlich ist in einem ech-
ten Notfall das Adrenalin hoch, und das
kann helfen, rascher zu reagieren. Doch
welchen Einfluss haben dann die Sorgen
um den zu dieser Zeit fluguntauglichen
Piloten, was den Vorteil unter Umständen
wieder zunichte macht? Schwer zu sagen.
Das habe ich gelernt:
> Auch nach nur 150 Flugstunden arbeiten
meine Hände automatisch, und ein Um-
schalten oder Durchbrechen der Routi-
nen erfordert erhebliche Konzentration.
> Ich werde es regelmäßig üben, von
rechts zu fliegen – aber nur mit einem
Fluglehrer auf dem anderen Sitz, nicht
mit einem anderen, befreundeten Pilo-
ten. Sicherheit kommt immer zuerst!
Praxis | sicherheit
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