http://www.fliegermagazin.de #9.2017 3
Editorial
die Zahlen sind erschütternd. Zum ersten
Mal überhaupt gibt die EASA in ihrem
Sicherheitsbericht 2017 (siehe https://goo.
gl/hkF5Us) eine Unfallrate für die Allge-
meine Luftfahrt an – weil sie nach eigenen
Angaben erstmals ausreichend Daten über
die geflogenen Stundenzahlen hat. Schon
das ist skandalös: Wie sollen die Auswirkun-
gen neuer Vorschriften auf die Sicherheit
bewertet werden, wenn es dafür gar keine
Datenbasis gibt? Noch schlimmer ist das
Ergebnis: Pro 100 000 Flugstunden sterben
in Europa zwischen drei und vier Personen
bei Unfällen in der nichtkommerziellen Luftfahrt. In den
USA liegt die Rate bei 1,03. Selbst wenn man eine große
Ungenauigkeit annimmt, ist privates Fliegen in Europa also
mindestens doppelt so »tödlich« wie in den USA!
Jeder, der in den USA geflogen ist, weiß, dass die übli-
chen Ausreden nicht stimmen: Weder ist das Wetter grund-
sätzlich besser noch der Luftraum weniger dicht beflogen.
Unfallentwicklung: Die Zahlen sinken, sind aber im Vergleich zu hoch
Unfallraten in der nichtkommerziellen luftfahrt
Was sagen Sie zu diesem Thema? Schreiben Sie mir bitte an [email protected] oder per Brief.
Eine erschreckende Bilanz
Grafik: EaSa
, foto: chriStina SchEunEmann
Die Erkenntnis kann also nur sein: Wir
machen alles falsch! Oder zumindest viel zu
viel. Der europäische Weg, Luftfahrt durch
Regulierung sicher zu machen, funktioniert
nicht. Kein Zweifel: Die EASA hat das verstan-
den und ist mit genau dieser Erkenntnis sehr
aktiv. Aber viele andere Beteiligte in Politik
und Behörden ziehen nicht mit.
Vorschriften haben einen enormen
Einfluss auf die Sicherheit. Beispiele: Piloten
haben aus gegebenem Anlass mehr Angst
vor einer Bestrafung wegen mangelhafter
Flugplanung als vor dem Einflug in schlech-
tes Wetter. Ein vorgeschriebener Flugleiter muss finanziert
werden – zum Beispiel durch Landegebühren. Die bewirken,
dass Piloten so wenig wie möglich Landungen üben. An un-
zählbaren Stellen macht Überregulierung das Fliegen ohne
nachweisbaren Sicherheitsgewinn kompliziert und teuer.
Wir müssen in Theorie und Praxis viele Dinge lernen, die
nichts mit sicherem Fliegen zu tun haben.
Jeder Mitarbeiter einer Luftfahrtbehörde in Europa muss
sich fragen – und fragen lassen –, wie viel Mitverantwor-
tung er daran trägt, dass private Luftfahrt bei uns mehr als
doppelt so gefährlich ist als anderswo. Und ganz deutlich:
wie viel Mitverantwortung er an den Toten hat.
Herzlichst
Thomas Borchert, Chefredakteur
Unfälle ohne Tote Unfälle mit Toten
Unfallrate pro 100
000 Flugstunden