ßen, muss der Pilot voll in die Bremsen stei-
gen. Später wird man sagen, die heiße As-
haltbahn habe unerwartet gut »getragen«,
Thermik und so. Tatsächlich war es wieder
der Bodeneffekt. Wie entsteht dieses Phä-
nomen?
Erzeugt eine Tragfläche Auftrieb, herrscht
auf ihrer Unterseite Über-
druck und auf der Ober-
seite Unterdruck. Diesen
Druckunterschied ver-
sucht die Luft an den Flü-
gel-enden auszugleichen:
Sie will von der Unter- auf
die Oberseite strömen.
Dabei erzeugt sie einen
eindrehenden Wirbel, der
aber durch den Fahrtwind
zurückbleibt – während er
sich bildet, entflieht ihm das Flugzeug ein
Stück weit. Auf diese Weise entsteht am
Flügel-ende ein nachgeschleppter Wirbel-
zopf, der die Form einer sich nach hinten
öffnenden Tüte hat. Gefürchtet sind diese
Randwirbel (»vortices«), weil sie Turbulen-
zen verursachen, in die andere Flugzeuge
geraten können. Je mehr Auftrieb der Verur-
sacher erzeugt (schwere Maschine, großer
Anstellwinkel im Anfangssteigflug), desto
größer ist auch der Widerstand, der dabei
induziert wird, und desto ausgeprägter sind
die »wake turbulences«.
In Bodennähe nun fließen die Wirbel-
zöpfe nicht ungehindert ab, sondern treffen
auf den Untergrund, eben-
so wie der Abwind hinterm
Flügel, der durch die Auf-
triebserzeugung entsteht.
Der induzierte Widerstand
nimmt dabei deutlich ab.
Gleichzeitig wird die Um-
strömung des Flügelpro-
fils so beeinflusst, dass der
induzierte Anstellwinkel
kleiner wird und der effek-
tive Anstellwinkel größer
(siehe Abbildung Seite 62 oben). Dies er-
höht den Auftrieb. Und genau das ist der
Bodeneffekt: ein Auftriebsplus, das weder
durch höhere Geschwindigkeit noch ande-
re auftriebssteigernde Maßnahmen (Klap-
pen) entsteht.
Je kleiner der Abstand zum Boden ist,
bei dem die Tragfläche angeströmt wird,
Tiefdecker
sind dichter
am Boden
gebaut als
Hochdecker
desto stärker wirkt sich der Bodeneffekt
aus. Von oben kommend setzt er bei etwa
einer Spannweite über Grund ein. Nahelie-
genderweise macht er sich bei Tiefdeckern
stärker bemerkbar als bei Hochdeckern, de-
ren Tragwerk mehr Bodenabstand hat.
Bodeneffekt als Starthilfe
In der Praxis kann der Bodeneffekt ein Vor-
teil oder ein Nachteil sein, je nachdem, ob
sich ein Pilot von ihm hinters Licht führen
lässt oder ob er ihn zu nutzen versteht. Im
eingangs skizzierten Beispiel eines Startun-
falls macht der Pilot den Fehler, dass er sei-
ne Maschine für flugfähig hält, obwohl sie
es in der freien Atmosphäre noch nicht ist.
Nur dicht überm Boden hat das Auftriebs-
geschenk das Flugzeug abheben lassen, bei
einer Geschwindigkeit, die ohne Bodenun-
terstützung nicht ausreicht, um steigen zu
können. Der Pilot dachte hingegen, er wäre
schnell genug – und zog. Im Sackflug hat er
sich selbst ausgebremst: zu großer Anstell-
winkel, zu hoher Widerstand, keine Fahrt-
aufnahme, kein Höhengewinn.
Der Bodeneffekt kann aber auch eine
willkommene Starthilfe sein: Vor allem auf
Praxis | Know-how
Anflug in der »freien Atmosphäre«:
Erst über der Schwelle setzt der Boden-
effekt ein. Dann muss die Fahrt niedrig
genug sein für das kurze Landedeck
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