2017-09-21 Fliegermagazin

(Tina Meador) #1

Handicap erspart, das den Betrieb solcher
Flugzeuge normalerweise überschattet: ein
wartungsintensiver, anfälliger Antrieb. Das
Gros der Kunden, sagt, Raoul, wäre mit ei-
nem hängenden Reihenmotor überfordert.
Kenner allerdings, die damit umzugehen
verstehen und realistische Erwartungen an
einen traditionellen Antrieb haben, kön-
nen ihren Flieger auch mit dem tschechi-
schen Walter Mikron IIIC ausrüsten. Dessen
Bauart entspricht den De Havilland- oder
Renault-Motoren des Originals.


A


ls Kompromiss zwischen Funkti-
onalität und Authentizität bietet
sich der D-Motor LF26 aus Belgien
an. Da der Boxer seitengesteuert
ist, baut er schmal genug, um komplett un-
ter der Cowling zu verschwinden. Und als
Direktantriebler erzeugt er den gewünsch-
ten niederfrequenten Klang.
Es ist ein verdammt cleveres Konzept,
das sich Raoul Severin da für seinen Flieger
ausgedacht hat: Einerseits nutzt er moder-
ne Technik, Materialien und Bauweisen,
die es zu Zeiten der Original-Stampe noch
nicht gab. Neben dem Rotax-Motor gilt das
etwa für die Bespannung aus Oratex, das
nicht lackiert werden muss und bei der gro-


ßen Doppeldecker-Oberfläche
acht bis zwölf Kilo leichter ist
als eine herkömmliche Be-
spannung. Oder die bewährte
Kiebitz-Konstruktion unter
Verwendung von Alu-Halb-
zeugen – damit kommt jeder
Amateurbauer zurecht. An-
dererseits ist der Authenti-
zitätsgrad so hoch, dass man
als Pilot der SV4-RS wirklich
eine Stampe fliegt, in Originalgröße.
Unter den ultraleichten Retro-Doppel-
deckern platziert sich die SV4-RS zwischen
B & F Jungmann und Kiebitz: Sie ist nicht so
dicht am Original wie die FK 131 von Peter
Funk, für den kein anderer Motor als der Mi-
kron in Frage kam und der selbstverständ-
lich die (Stahlrohr-)Bauweise des Rumpfs
beibehielt. Sie ist aber auch nicht so weit
weg von historischen Doppeldeckern wie
der Kiebitz. Unabhängig davon hebt sich
die UL-Stampe vom Platzer-Erfolgsmuster
in zwei Punkten ab: Es gibt sie als Fertigflug-
zeug, und für Selbstbauer ist der Aufwand
geringer. Angeboten werden nämlich nicht
Pläne und einzelne Teile wie für den Kie-
bitz, sondern Kits. Drei Vorfertigungsstu-
fen hat Ultralight Concept im Programm,

dazu zwei jeweils viertägige Workshops,
in denen Kunden mit Werksunterstützung
die komplette Struktur herstellen, lediglich
die zu Hause gefertigten Flügelrippen brin-
gen sie mit. Helling und Spezialwerkzeuge
des Herstellers garantieren Baugenauigkeit
und senken die Investitionskosten. Auf 600
bis 1000 Stunden inklusive Workshops ver-
anschlagt der Hersteller die Bauzeit.
Viel ist das nicht für dieses Flugzeug: Die
Stampe ist in Belgien und Frankreich so et-
was wie eine Jungmann in Deutschland, ei-
ne Tiger Moth in Großbritannien oder eine
Stearman in den USA. Dabei bietet der Nach-
bau alle Vorteile eines modernen ULs, zu
denen unter anderem das Rettungssystem
zählt. Eine Ikone der Luftfahrtgeschichte
als Flugzeug für den Alltag – Applaus!

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