Flugrevue Oktober 2017

(Tuis.) #1

Bayern-Fan


Der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines hat in
München eine Montagelinie für den A320neo-Getriebefan
aufgebaut – mit einigen technologischen Schmankerln.

E


ine Endmontage im zweiten Stock-
werk? „Da macht jeder große
Augen bei einer Führung“, sagt
Elmar Stichlmair und schmunzelt.
Stichl mair ist Consultant Engineering
Montage zivile Programme bei der MTU.
Er und sein Team begleiten seit Oktober
2011 die Planung und Umsetzung der
neuen Montage des A320neo-Getriebe-
fans PW1100G-JM in München. Die Ge-
bäudesituation war dabei allerdings nur
eine von mehreren Herausforderungen.
Die MTU produziert nicht nur we-
sentliche Komponenten für die Getrie-
befan-Familie des US-amerikanischen
Herstellers Pratt & Whitney, darunter
die schnelllaufende Niederdruckturbine
und die ersten vier Stufen des Hoch-
druckverdichters. Erstmals ist mit dem
PW1100G-JM die Endmontage eines
neuen zivilen Triebwerks bei dem Her-
steller in der bayerischen Landeshaupt-
stadt angesiedelt. „Wir montieren ein
Drittel der Triebwerke. Damit zeigen
Airbus und Pratt & Whitney großes Ver-
trauen in die MTU“, sagt Dr. Rainer
Martens, MTU-Technikvorstand. Im Au-
gust 2016 verließ das erste in München
montierte PW1100G-JM die neue Linie.
Die Produktion läuft seitdem sukzessive
hoch. Für dieses Jahr sind rund 70 Trieb-

werke geplant, von 2019 an soll ein
A320neo-Getriebefan pro Arbeitstag aus-
geliefert werden.
Ursprünglich war angedacht, eine
identische Endmontagelinie wie bei Pratt
& Whitney in Middletown, Connecticut,
und West Palm Beach, Florida, aufzu-
bauen – ein Monorail-System, bei dem
die Triebwerke an der Decke hängend
weiterbewegt werden. Allerdings zeigte
sich schnell, dass dieses System zu
wenig flexibel ist. Die MTU entschied
sich schließlich für ein anderes Konzept:
ein als Floor Based Transportation Sys-
tem bezeichnetes Fließsystem. „Dabei
handelt es sich um unterschiedliche Car-
rier, ferngesteuerte Fahrzeuge. Sie kön-
nen sowohl einzeln ferngesteuert werden
als auch im Verbund mit einer Verbin-

dungsstange“, erklärt Stichlmair. Auf
dem bodenbasierten System wird das
Triebwerk von Station zu Station bewegt
und wächst. Gestartet wird mit dem
Kerntriebwerk, das aus drei zugeliefer-
ten Modulen besteht und vertikal mon-
tiert wird. Anschließend wird das Ganze
in die Horizontale gedreht. Parallel wird
auf einer der fünf Vormontagestationen
das LPT-TEC-Supermodul gebaut, es be-
steht aus der Niederdruckturbine (Low
Pressure Turbine, LPT) und dem Turbi-
nenaustrittsgehäuse (Turbine Exhaust
Case, TEC). Das Supermodul fließt in
einer Art Fischgrätensystem seitlich in
die Hauptmontage ein. Stück für Stück
entsteht so der sogenannte Propulsor, in-
dem unter anderem der Niederdruckver-
dichter mit dem Getriebesystem (Fan

In München wird ein Drittel
aller PW1100G-JM gefertigt.

80 FLUG REVUE OKTOBER 2017 http://www.lugrevue.de

A320neo-Antrieb


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