Aero International Oktober 2017

(Chris Devlin) #1
10/2017 http://www.aerointernational.de 19

Airline porträt


D


ienstag, 15. August, trat das ein,
was viele Branchenkenner schon
seit Monaten, wenn nicht sogar seit
Jahren erwartet haben: Air Berlin
musste die Eröffnung des Insol-
venzverfahrens bekannt geben. Vorläufig
wird der Flugbetrieb zwar mithilfe einer
Bundesbürgschaft fortgeführt. Dennoch
gilt es bereits, das Fell des (Berliner) Bären
zu verteilen. Ihr Interesse am rot-weißen
Geschäft, ob partiell oder im Ganzen, ha-
ben Lufthansa, EasyJet und Co. mehr oder
weniger offen bekundet. Auch wenn bis zu
Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine
detaillierten Ergebnisse vorgelegen haben,
können an dieser Stelle schon einmal die
Geschehnisse im mittel- und unmittelbaren
Vorfeld beleuchtet und die eine oder andere
Frage beantwortet werden.

Wie ist es zu dieser Insolvenz gekommen?
Ein Blick auf die Geschichte der Luftfahrt
zeigt: Airlines sterben in der Regel sehr
langsam. Bei manchen, wie in den Fällen der
US-amerikanischen Airlines Pan Am oder
TWA, hat es viele Jahre gedauert, und so war
es auch bei Air Berlin. Der Börsengang vor
zehn Jahren kann als Anfang vom Ende be-

zeichnet werden, weil er verbunden war mit
einem grundsätzlichen Strategieschwenk.
Bis dahin hatte Air Berlin unter Joachim
Hunold lange Zeit Erfolg in ihrer Nische,
mit dem Mallorca-Shuttle und dem Ferien-
flugverkehr von Deutschland. Doch dann
wollte Hunold ins Liniengeschäft einsteigen
und der Lufthansa Konkurrenz machen. Er
kaufte die DBA und LTU, doch es dauerte
Jahre, bis beide einigermaßen integriert wa-
ren; zum Teil sind sie es heute noch nicht.
Dazu war die Strategie über viele Jahre
unklar. Hunold und seine Nachfolger ver-
kauften den Umstand, dass sie sich nicht auf
einen Weg festlegen konnten, als Hybrid-
Strategie. Doch nicht einmal die viel größe-
re Lufthansa versucht, mit einer Marke alle
Segmente zu bedienen. Air Berlin hingegen
stieg ins Billiggeschäft ein, flog weiter nach
Mallorca und setzte zusätzlich auch noch
auf Geschäftsreisestrecken.
2011 stieg Etihad mit 29,2 Prozent als
größter Anteilseigner ein. Das viele Etihad-
Geld, das seither nach Berlin floss, sicherte
zwar der deutschen Airline immer wieder
das Überleben, andererseits tat dies der
deutschen Tochter strategisch nicht gut:
Etihad wollte einen innereuropäischen Zu-

bringer, der auf das Premiumsegment setzt.
Damit musste Air Berlin einen Bereich des
Marktes erobern, den sie nicht verstand, in
dem sie als Marke noch nie eine Rolle ge-
spielt hatte und der durch die zunehmende
Konkurrenz der Billigflugairlines immer
stärker unter Druck geriet.
Keiner der vier Air-Berlin-Chefs dieser
Zeit – Hartmut Mehdorn, Wolfgang Prock-
Schauer, Stefan Pichler und Thomas Win-
kelmann – hat diesen Widerspruch auflösen
können. Und keiner von ihnen traute sich,
an ein weiteres Kernproblem des Unter-
nehmens heran: die hohen Personalkosten.
Längst hätte Air Berlin ein Sanierungspro-
gramm gebraucht, das auch niedrigere Per-
sonalkosten beinhaltet. Doch die Angst vor
Streiks verhinderte konsequentes Handeln,
und so lange das Geld aus Abu Dhabi floss,
war sichergestellt, dass die Flugzeuge wei-
ter abheben. Die Rechnung ging jedoch auf
Dauer nicht auf, selbst Etihad wurden die
horrenden Verluste zu hoch.

Hätte die Pleite noch verhindert werden
können?
Der einzige Weg, die Pleite zu verhindern,
wären weitere Zahlungen von Etihad ge-

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