Aero International Oktober 2017

(Chris Devlin) #1
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Airline porträt


wesen. Wegen der hohen Schulden in Höhe
von zuletzt knapp 1,5 Milliarden Euro, der
schlechten Marktposition und der hohen
Kosten galt Air Berlin schon seit Jahren als
kaum mehr zu retten. Kurz bevor Etihad
2011 einstieg, hatte Air France-KLM Inte-
resse bekundet, Air Berlin mehrheitlich zu
übernehmen. Damals aber wollte Firmenpa-
triarch Joachim Hunold nicht die Kontrolle
über sein Lebenswerk verlieren. Rückbli-
ckend war dies womöglich die letzte Chance
auf Rettung.

Welche Rolle hat die Verspätung des BER
bei der Insolvenz gespielt?
Eine sehr geringe. Natürlich haben die Eng-
pässe am Flughafen Tegel das Alltagsgeschäft
für Air Berlin komplizierter und auch teurer
gemacht. Allerdings hat die knappe Kapazi-
tät am beliebtesten Flughafen der Stadt Air
Berlin auch geschützt. Wäre der BER früher
und mit ausreichend Platz fertig geworden,
hätten Konkurrenten wie EasyJet und Ry-
anair viel schneller wachsen können. Die
Idee, in Berlin ein Drehkreuz aufzubauen,
war längst zum Scheitern verurteilt, bevor sie
der aktuelle Chef Thomas Winkelmann vor
wenigen Monaten endgültig offiziell begrub.

Welche Rolle spielt der Rauswurf James
Hogans bei Etihad?
Solange James Hogan bei Etihad im Amt
war und sich auch der Unterstützung seines
Aufsichtsrates sicher sein konnte, war auch
Air Berlin nicht in Gefahr. Hogan versuch-
te, Etihad mit riskanten Investments in Sa-
nierungsfälle (wie Air Berlin oder Alitalia)

schnell groß zu machen. Er versenkte dabei
Abermilliarden, ohne wahrnehmbaren Ge-
genwert. Lange Zeit hielt der Aufsichtsrat
still. Angesichts von Öl-Einnahmen von
mehreren Milliarden Dollar pro Tag waren
die Ausgaben bei Etihad zu verschmerzen.
Doch irgendwann wurde es selbst dem rei-
chen Emirat zu viel. Hogan musste gehen.
Seither heißt es offiziell, Etihad überprüfe
die Strategie. Tatsächlich hat sie sich aus den
schlimmsten Investments (Darwin, Alita-
lia) nun schon zurückgezogen – und bei Air
Berlin ungeachtet dessen, dass noch unter
Hogan Hilfen für die nächsten 18 Monate
garantiert worden waren.

Warum hat Etihad die Zahlungen entge-
gen der zunächst geäußerten Versprechun-
gen jetzt überraschend eingestellt?
Der genaue Ablauf der Ereignisse in den Ta-
gen vor der Insolvenz lässt sich noch nicht
vollständig rekonstruieren. Insidern zufol-
ge forderte Etihad Lufthansa auf, auf 130
Millionen Euro zu verzichten, die sie an
Air Berlin als Vorschuss für die Eurowings-
Wetlease-Flüge gezahlt hatte. In diesem Fall
wäre Etihad bereit gewesen, Air Berlin noch
einmal mit 50 Millionen zu unterstützen,
bis Verhandlungen über einen wie auch im-
mer gearteten Einstieg der Lufthansa abge-
schlossen seien. Lufthansa lehnte den Vor-
stoß ab. Am Freitag, 11. August, teilte Etihad
Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann mit,
dass überhaupt keine Finanzhilfen mehr
kommen würden. Über das Wochenende
verhandelte Air Berlin mit der Bundesre-
gierung über einen Brückenkredit, ohne

den der Flugbetrieb sofort hätte eingestellt
werden müssen. Am 15. August meldete die
Airline dann Insolvenz an.

Was wird aus Niki und der Luftfahrtgesell-
schaft Walter (LGW)?
Niki dürfte als Unternehmen erhalten blei-
ben. Auch die Mitarbeiter können davon
ausgehen, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht
verlieren, wenn es eine schnelle Einigung
gibt. Lufthansa hat Interesse an einem Ein-
stieg. Auch Condor, EasyJet und andere
könnten für Niki und LGW mitbieten. Niki
hat niedrige Kosten und ist ein eigenstän-
diger, funktionierender Flugbetrieb, den
Lufthansa unkompliziert in die Eurowings
integrieren könnte. Schlechter stehen die
Chancen für LGW, denn die Q400 passen
nirgendwo hinein. Allenfalls könnte sie mit
ihrem AOC und über ihre Slots in Düssel-
dorf und Berlin-Tegel interessant sein.

Was wird überhaupt verkauft?
Nur der Unternehmer Hans-Rudolf Wöhrl
will Air Berlin als Ganzes kaufen. Lufthan-
sa, Niki Lauda, Condor und EasyJet haben
Interesse an Niki und/oder LGW, ansonsten
geht es nicht um einen Verkauf im klassi-
schen Sinne. Bei den Verhandlungen mit
Lufthansa liegt der Fokus darauf, wie Flug-
zeuge und Mitarbeiter transferiert werden
können.

Wie wird die Lufthansa bei den Verhand-
lungen strategisch vorgehen?
Lufthansa versucht, den Großteil der Air
Berlin zu übernehmen, ohne sie zu über-

Gewinn- beziehungsweise Verlustentwicklung


Die Jahresergebnisse von Air Berlin, in Millionen Euro

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2011 2012 2013 2014 2015 2016

-271,
-315,

-376,

-446,

-781,

6,

Quelle: Air Berlin

Foto: Di


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